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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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umziehen ging. Jeans und Sweatshirt waren genau richtig gewesen für die staubige Schlepperei beim Einzug und den anschließenden Wohnungsputz. Aber jetzt wählte sie ein Paar beigefarbene Cordhosen, eine gutgeschnittene Tweedjacke und einen Rollkragenpullover aus feiner cremefarbener Wolle. Sie flocht ihr dichtes Haar zu einem hoch angesetzten Zopf, dessen Ende sie mit einer Spange befestigte.
    Bei der Rückkehr ins Wohnzimmer bedachte Alan sie mit seinem gewohnt prüfenden Lächeln und sagte: »Deine Dienstkluft? Ich weiß nie, ob du dich für Adam Dalgliesh schönmachst oder für die Tatverdächtigen. Die Leiche scheidet ja wohl aus.«
    »Diese Leiche liegt nicht gerade in irgend ’nem Straßengraben.«
    Sie war relativ neu, diese Eifersucht auf ihren Chef, und vielleicht war sie sowohl Symptom wie auch Ursache für den Wandel in ihrer Beziehung.
    Schweigend gingen sie miteinander hinaus. Erst als Kate die Haustür zweimal hinter sich abschloß, kam wieder ein Gespräch in Gang. »Sehe ich dich noch mal, bevor ich Mittwoch fliege?« fragte er.
    »Ich weiß nicht, Alan. Ich weiß es wirklich nicht.«
    Aber sie wußte es doch. Wenn dieser Fall so wichtig war, wie es den Anschein hatte, dann stand ihr die nächste Zeit ein Sechzehn-Stunden-Tag bevor, falls das reichte. Sie würde auf diese wenigen Stunden, die sie zusammen in der Wohnung verbracht hatten, mit Freude, aber auch ein wenig traurig zurückblicken. Doch was sie jetzt empfand, das war berauschender, und sie spürte es jedesmal, wenn sie zu einem neuen Fall gerufen wurde. Das war ihr Beruf, einer, für den sie ausgebildet und in dem sie gut war, einer, der ihr Freude machte. Schon in dem Bewußtsein, daß dies vielleicht auf Jahre hinaus ihr letztes Zusammensein war, entfernte sie sich in Gedanken von ihm und machte sich innerlich bereit für die Aufgabe, die vor ihr lag.
    Er hatte den Wagen auf einem der reservierten Plätze rechts vom Vorhof geparkt, aber er stieg nicht ein. Statt dessen wartete er mit ihr auf die Ankunft des Polizeibootes. Sobald der dunkelblaue, schnittige Bug in Sicht kam, wandte er sich wortlos von ihr ab und ging zurück zu seinem Auto. Aber er fuhr noch immer nicht weg. Als das Boot längsseits beidrehte, wußte Kate, daß er weiter warten und zusehen würde, wie die hochgewachsene Gestalt an der Reling eine Hand ausstreckte, um ihr an Bord zu helfen.

19
    Der Anruf erreichte Inspector Daniel Aaron kurz vor der Eastern Avenue. Er brauchte nicht anzuhalten, um das Gespräch entgegenzunehmen; die Nachricht war knapp und klar. Ungeklärter Todesfall in Innocent House, Innocent Walk. Die Zentrale würde die Spurensicherung verständigen, und das SpuSi-Köfferchen konnte Robbins schon mit an den Tatort bringen.
    Die Weisung kam wie gerufen. Seine erste Reaktion war fiebrige Erregung, denn hier winkte endlich die große Aufgabe, auf die er so sehnsüchtig gewartet hatte. Vor drei Monaten erst hatte er Massingham beim Sonderdezernat abgelöst, und seitdem brannte er darauf, sich zu bewähren. Aber das war nicht der einzige Grund. Er war unterwegs nach Ilford, zu seinen Eltern. Heute war ihr vierzigster Hochzeitstag, und den wollten sie zusammen mit ihm, der Schwester seiner Mutter und deren Mann bei einem festlichen Mittagessen feiern. Er hatte frühzeitig einen Tag Urlaub eingereicht, wohl wissend, daß er sich vor einem solchen Familienereignis schlechterdings nicht drücken konnte, aber er hatte nicht die geringste Lust, hinzugehen. Was ihm bevorstand, waren ein pompöser, aber steifleinerner Lunch in dem beliebten Kaufhausrestaurant, das seine Mutter ausgesucht hatte, gefolgt von einem Nachmittag voll langweiliger Familiengeschichten. Er wußte, daß er in den Augen seiner Tante ein liebloser Sohn, enttäuschender Neffe und ein schlechter Jude war. An einem solchen Tag würde sie ihr Mißfallen vielleicht nicht offen zur Schau stellen, aber auch erzwungene Rücksichtnahme hätte kaum zur Auflockerung der Atmosphäre beigetragen.
    Er bog in eine Nebenstraße ein und hielt an, um zu telefonieren. Es würde ein heikles Gespräch werden, das er lieber nicht während der Fahrt führen wollte. Als er die Nummer eintippte, spürte er eine Reihe von widerstreitenden Gefühlen in sich aufsteigen: Erleichterung darüber, daß er eine triftige Entschuldigung hatte, den Lunch zu schwänzen; Skrupel vor der peinlichen Absage; freudige Erregung darüber, daß er unterwegs zu einem Fall war, der Großes versprach; und die gewohnten Schuldgefühle,

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