Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut
Zuneigung, Treue, Freundlichkeit und Verständnis revanchiert hatte, was ihr in keinem Punkt schwergefallen war. Aber war es so erstaunlich, daß er nach all dieser Zeit mehr für sie sein wollte als bloß eine Art modisches Beiwerk?
Sie mahlte den Kaffee und sog genüßlich den frischen Duft ein; kein fertiger Kaffee schmeckte je so gut, wie die Bohnen rochen, fand sie. Sie setzten sich mit ihren Tassen auf den Fußboden und lehnten sich mit dem Rücken gegen eine noch ungeöffnete Kiste. »Welchen Flug nimmst du nächsten Mittwoch?« fragte sie.
»Die Elf-Uhr-Maschine, BA 175. Du hast es dir nicht inzwischen anders überlegt?«
Fast hätte sie gesagt: »Nein, ich kann nicht, Alan, es ist unmöglich«, aber sie besann sich gerade noch. Es war ja nicht unmöglich. Sie hätte ihre Meinung sehr wohl ändern können. Die ehrliche Antwort war, daß sie ihn nicht begleiten wollte. Sie hatten schon oft über das Problem gesprochen, und sie wußte jetzt, daß sie zu keinem Kompromiß fähig war. Sie verstand seine Gefühle und seine Wünsche. Es war ja nicht so, als ob er sie zu erpressen versuchte. Ihm bot sich die Chance, für drei Jahre in Princeton zu arbeiten, und die wollte er sich nicht entgehen lassen. Es war wichtig für seine Karriere, für seine Zukunft. Trotzdem würde er in London bleiben und seine Stelle in der Bibliothek behalten, wenn auch Kate bereit wäre, sich zu binden, wenn sie einwilligte, ihn zu heiraten oder zumindest mit ihm zusammenzuleben und ein Kind zu bekommen. Es war nicht so, daß er ihren Beruf geringer achtete als den eigenen; wenn nötig, würde er eine Zeitlang aussetzen und zu Hause bleiben, während sie weiter arbeiten ging. Diese fundamentale Gleichheit hatte er ihr schon immer zugestanden. Aber er war es nun einmal leid, immer nur am Rande ihres Lebens zu existieren. Sie war die Frau, die er liebte, und er wollte sein Leben mit ihr verbringen. Er wäre also in der Tat bereit, Princeton aufzugeben, aber nicht, wenn das bedeutete, so weiterzumachen wie bisher; er wollte Kate nicht mehr nur dann sehen können, wenn der Dienstplan es erlaubte, wollte nicht länger ihr Geliebter sein und dabei die Gewißheit haben, daß er nie mehr sein würde als das.
»Ich bin noch nicht bereit für Ehe und Mutterschaft«, sagte Kate. »Und vielleicht werd’ ich’s nie sein, vor allem, was letzteres betrifft. Ich wäre auch keine gute Mutter. Mir fehlt die Ausbildung, verstehst du.«
»Ich glaube nicht, daß es da viel zu lernen gibt.«
»Aber Liebe und Verantwortungsgefühl müssen sein. Und das ist etwas, wozu ich nicht fähig bin. Was man selber nie gehabt hat, kann man auch nicht weitergeben.«
Er widersprach nicht und versuchte auch nicht, sie umzustimmen. Es war alles gesagt.
»Immerhin haben wir noch fünf Tage«, meinte er, »nicht zu vergessen den heutigen. Heute morgen auspacken, dann Lunch in einem Pub an der Themse, vielleicht im Prospect of Whitby. Dafür dürfte die Zeit ja wohl reichen. Und du mußt schließlich was essen. Um wieviel Uhr sollst du im Yard sein?«
»Um zwei. Ich hab’ nur einen halben Tag freigekriegt. Daniel Aaron hat heute Urlaub, da war’s nicht leicht, was rauszuschinden. Aber ich werde so früh wie möglich Feierabend machen, und dann können wir hier zusammen zu Abend essen. Eine Mahlzeit im Lokal reicht. Wir können uns ja was vom Chinesen mitnehmen.«
Alan brachte gerade die Kaffeetassen in die Küche, als das Telefon läutete. »Dein erster Anruf.« rief er. »Das kommt davon, wenn man beim Umzug Karten mit der neuen Adresse verschickt. Jetzt wirst du dich nicht mehr retten können vor Freunden, die dir Glück im neuen Heim wünschen wollen.«
Aber das Telefonat dauerte nur ganz kurz, und Kate sagte kaum etwas, nachdem sie sich gemeldet hatte. Als sie auflegte, rief sie in die Küche hinüber: »Das war das Dezernat. Ungeklärter Todesfall. Ich soll sofort hinkommen. Es handelt sich um eine Adresse direkt am Fluß, da holt AD mich gleich in einem Polizeiboot hier ab. Tut mir leid, Alan.« Ihr war, als habe sie die letzten drei Jahre damit zugebracht, »Tut mir leid, Alan« zu sagen.
Sie schauten sich einen Moment lang schweigend an, dann sagte er: »Wie es war im Anfang, so auch jetzt und für alle Zeit. Was soll ich tun, Kate, möchtest du, daß ich weiter auspacke?«
Plötzlich war ihr der Gedanke, daß er allein hierblieb, unerträglich. »Nein, laß nur. Ich mach’s später. Es eilt nicht.«
Aber er machte doch weiter, während sie sich
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