Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod
Beaufsichtigung wird sicherlich jemand
zuständig sein. Ich muss überprüfen, ob das alles so stimmt, aber
soweit ich weiß, muss ein Straftäter mindestens vier Jahre ohne
Zwischenfall in der Gesellschaft leben, bevor die Überwachung
aufgehoben wird. Aber das Register wird nicht gelöscht, und ein zu
lebenslänglich Verurteilter kann jederzeit zurückgerufen werden.«
»Aber Sharon ist doch sicherlich gesetzlich dazu verpflichtet,
ihre Bewährungshelferin darüber zu informieren, dass sie in einen
Mordfall verwickelt ist, auch wenn sie unschuldig ist?«, fragte Kate.
»Das hätte sie sicherlich tun müssen, aber sollte sie das
unterlassen haben, wird das zuständige Amt morgen davon erfahren, wenn
die Nachricht bekannt wird. Sharon hätte sie auch über ihre neue
Arbeitsstelle informieren müssen. Ob sie mit ihrer Bewährungshelferin
in Kontakt war oder nicht, es ist in jedem Fall meine Aufgabe, das
Justizministerium zu informieren. Die Bewährungshilfe, nicht die
Polizei, muss mit dieser Information umgehen und nach einem
Need-to-know-Prinzip entscheiden.«
»Wir sagen und tun also nichts, bis Sharons Aufsichtsperson
übernimmt? Aber eigentlich müssen wir sie noch einmal verhören. Diese
Sache ändert doch ihren Status bei den Ermittlungen.«
»Es ist auf jeden Fall wichtig, dass die Bewährungshelferin
anwesend ist, wenn wir Sharon verhören, und ich hätte gerne, dass dies
morgen stattfindet, wenn möglich. Der Sonntag ist nicht der beste Tag,
um das zu bewerkstelligen, aber ich kann wahrscheinlich über den
diensthabenden Beamten im Justizministerium Kontakt zur Bewährungshilfe
aufnehmen. Ich rufe Benton an. Sharon muss unbedingt observiert werden,
aber mit absoluter Diskretion. Könnten Sie die Ordner hier weiter
durchgehen, während ich das vorbereite? Ich telefoniere vom Esszimmer
unten aus. Es könnte eine Weile dauern.«
Als sie allein war, widmete sich Kate wieder den Ordnern. Sie
wusste, das Dalgliesh gegangen war, damit sie ungestört arbeiten
konnte. Es wäre in der Tat schwierig gewesen, die verbleibenden Akten
gewissenhaft durchzusehen, ohne darauf zu achten, was er sagte.
Eine halbe Stunde später hörte sie Dalglieshs Schritte auf der
Treppe. Als er eintrat, sagte er: »Das ging nun doch schneller als
befürchtet. Ich musste die üblichen Hürden bewältigen, aber am Ende
habe ich die zuständige Bewährungshelferin bekommen. Eine Mrs.
Madeleine Rayner. Sie wohnt zum Glück in London, und ich habe sie
erwischt, als sie gerade zu einem Mittagessen mit der Familie
aufbrechen wollte. Sie kommt morgen mit einem frühen Zug nach Wareham.
Benton wird sie dort abholen und direkt in die Alte Wache bringen. Ihr
Besuch sollte möglichst unbemerkt bleiben. Sie scheint überzeugt zu
sein, dass Sharon keine besondere Aufsicht braucht und keine Gefahr
darstellt, aber je eher sie das Manor verlässt, desto besser.«
»Möchten Sie vielleicht jetzt gleich nach Dorset zurückkehren,
Sir?«, fragte Kate.
»Nein. Wegen Sharon kann man nichts ausrichten, bevor Mrs.
Rayner morgen kommt. Wir fahren nach Droughton und klären die Sache mit
dem Auto. Wir nehmen die Kopie des Testaments, die Akte über Sharon und
den Artikel über die Plagiate mit, das sollte reichen, denke ich, außer
Sie haben noch etwas Relevantes gefunden.«
»Nichts, was uns neu wäre, Sir. Da ist ein Artikel über die
gewaltigen Verluste der sogenannten Lloyd's Names, der Privatinvestoren
bei Lloyd's, Anfang der neunziger Jahre. Miss Cressett hat uns erzählt,
dass Sir Nicholas zu ihnen gehörte und gezwungen war, Cheverell Manor
zu verkaufen. Die besten Gemälde wurden offenbar einzeln verkauft. Hier
ist ein Bild vom Manor und eines von Sir Nicholas. Der Artikel geht
nicht sonderlich sanft mit den Investoren um, aber ich sehe darin kein
Motiv für einen Mord. Wir wissen, dass Helena Cressett nicht gerade
begeistert davon war, Miss Gradwyn unter ihrem Dach wohnen zu haben.
Soll ich diesen Artikel zu den anderen Unterlagen nehmen?«
»Ja, ich finde, wir sollten alle ihre Texte haben, die in
Zusammenhang mit Cheverell Manor stehen. Aber ich stimme Ihnen zu. Der
Artikel über die Names würde allenfalls für einen kühlen Empfang von
Miss Gradwyn ein glaubwürdiges Motiv darstellen, aber für nichts sonst.
Ich habe den Briefwechsel mit ihrer Agentin durchgesehen. Offenbar
dachte sie daran, als Journalistin etwas kürzer zu treten und eine
Biographie zu schreiben. Es könnte ganz hilfreich sein, mit der Agentin
zu sprechen, aber das kann
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