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Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Titel: Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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ihrer Mutter und ihrer
Großmutter bewohnt hatten. Zur Zeit des Mordes waren die Eltern
geschieden, der Vater hatte zwei Jahre zuvor die Familie verlassen.
Nachbarn, die immer noch in der Straße wohnten, berichteten, die Ehe
sei ziemlich turbulent gewesen, aber mit den Kindern habe es nie
Probleme gegeben, nie sei Besuch von der Polizei oder dem Sozialamt
gekommen. Lucy war zweifellos die Hübschere gewesen, daran gab es
keinen Zweifel, aber die Mädchen schienen gut miteinander ausgekommen
zu sein. Shirley war ruhig, ein bisschen mürrisch, nicht gerade ein
freundliches Kind. Ihre Erinnerungen, sichtlich beeinflusst von dem
Entsetzen über die Geschehnisse, legten nahe, das Kind sei schon immer
eigen gewesen. Sie berichteten von Streitigkeiten, Geschrei und
gelegentlichen Schlägen, aber man schien sich immer um die Kinder
gekümmert zu haben. Dafür war die Großmutter zuständig gewesen. Nachdem
der Vater gegangen war, gab es eine ganze Reihe von
Untermietern – ein paar waren offenbar Freunde der Mutter, was
allerdings nur taktvoll angedeutet wurde – und ein paar
Studenten, die eine günstige Unterkunft suchen. Keiner von ihnen blieb
lange.
    Rhoda Gradwyn war es irgendwie gelungen, an den
Obduktionsbericht zu kommen. Der Tod war durch Strangulation
herbeigeführt worden, und die Gesichtsverletzungen, bei denen die Augen
zerstört und die Nase gebrochen worden waren, waren nach Eintreten des
Todes zugefügt worden. Rhoda Gradwyn hatte auch einen der
Polizeibeamten aufgespürt und befragt, die mit dem Fall damals befasst
waren. In der Angelegenheit war nichts ungeklärt geblieben. Die Tat war
an einem Samstagnachmittag gegen fünfzehn Uhr dreißig begangen worden,
während die neunundsechzigjährige Großmutter ein paar Straßen weiter
Bingo spielen war. Es war nicht ungewöhnlich, dass die Kinder alleine
zu Hause waren. Die Großmutter hatte den Mord entdeckt, nachdem sie um
sechs Uhr nach Hause zurückgekehrt war. Lucys Leiche lag auf dem Boden
in der Küche, dem Raum, den die Familie hauptsächlich bewohnte. Shirley
schlief oben in ihrem Bett. Sie hatte keinen Versuch unternommen, sich
das Blut ihrer Schwester von Händen und Armen zu waschen. Ihre
Fingerabdrücke befanden sich auf dem Tatwerkzeug, einem alten
Bügeleisen, das als Türstopper gedient hatte. Sie gab zu, ihre
Schwester getötet zu haben. Dabei wirkte sie innerlich nicht
aufgewühlter, als hätte sie eingestanden, sie kurz allein gelassen zu
haben.
    Kate und Dalgliesh saßen einen Moment lang schweigend da. Kate
wusste, dass ihre Gedankengänge parallel liefen. Diese Entdeckung
stellte eine Komplikation dar, die sowohl ihre Sicht auf Shirley als
Verdächtige – wie sollte es auch anders sein? – als
auch den Fortgang der Ermittlungen beeinflussen würde. Kate wusste,
dass ihnen nun verfahrenstechnische Stolperfallen drohten. Beide Opfer
waren erwürgt worden; diese Tatsache konnte sich als irrelevant
erweisen, eine Tatsache war es nichtsdestotrotz. Sharon
Bateman – und diesen Namen würden sie weiterhin
verwenden – wäre nicht zurück in die Gesellschaft entlassen
worden, wenn die Behörden sie weiterhin als Bedrohung einstufen würden.
Außerdem hatte sie das Recht, als eine Verdächtige betrachtet zu
werden, die nicht mit größerer Wahrscheinlichkeit schuldig war als alle
anderen. Und wer wusste noch davon? Hatte man es Chandler-Powell
gesagt? Hatte sich Sharon jemandem auf dem Manor anvertraut, und wenn
ja, dann wem? Hatte Rhoda Gradwyn von Anfang an Verdacht geschöpft, was
Sharons Identität betraf, und war dies der Grund für ihren verlängerten
Aufenthalt gewesen? Hatte sie damit gedroht, sie bloßzustellen, und
wenn ja, hatte Sharon oder vielleicht jemand anderer, der die Wahrheit
kannte, Schritte unternommen, um sie aufzuhalten? Und falls sie jemand
anderen festnehmen sollten, würde nicht allein die Tatsache, dass sich
eine verurteilte Mörderin im Manor befand, die
Generalstaatsanwaltschaft bei der Entscheidung beeinflussen, ob die
Anklage vor Gericht standhalten würde? Dies alles ging ihr durch den
Kopf, aber sie behielt es für sich. Bei Dalgliesh achtete sie immer
sehr darauf, nichts zu sagen, was offensichtlich war.
    »In diesem Jahr wurden die Zuständigkeitsbereiche im
Innenministerium getrennt«, sagte Dalgliesh nun, »aber ich glaube, ich
habe die Änderungen mehr oder weniger gut in Erinnerung. Seit Mai ist
das neue Justizministerium verantwortlich für Bewährungshilfe und
Resozialisierung. Für Sharons

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