Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod
Freunde?«, fragte Benton.
»Wir wurden Freunde und später Geschäftspartner. Nichts
Formelles, aber wir haben zusammengearbeitet. Er hatte die Ideen und
ich die praktische Erfahrung und zumindest die Hoffnung, Geld
beschaffen zu können. Sie denken sicher gerade darüber nach, wie Sie
mir möglichst taktvoll die Frage stellen können, die ich Ihnen nun
beantworte: Wir waren Freunde. Keine Liebhaber, keine Verschwörer,
keine Kumpel, keine Saufkumpane, sondern Freunde. Ich habe ihn gern
gehabt, und ich glaube, man kann sagen, dass wir uns gegenseitig
nützlich waren. Ich habe ihm erzählt, ich hätte gerade über eine
Million von einer unverheirateten Tante geerbt, die kürzlich verstorben
sei. Die Tante gab es wirklich, aber die Arme hatte keinen Penny
hinterlassen. Ich hatte Glück im Lotto gehabt. Ich weiß nicht, warum
ich Ihnen das überhaupt erzähle, aber spätestens wenn Sie sich fragen,
ob ich ein finanzielles Interesse am Tod von Robin haben könnte, werden
Sie es sowieso herausfinden. Nein, hatte ich nicht. Ich bezweifle, dass
er etwas anderes als Schulden hinterlässt, und den Ramsch –
hauptsächlich Kleidung –, den er hier deponiert hat.«
»Haben Sie ihm je von dem Lottogewinn erzählt?«
»Nein. Es ist unklug, den Leuten von einem großen Gewinn zu
erzählen. Viele vertreten den Standpunkt, man habe nichts für sein
Glück getan und sei deshalb verpflichtet, es mit denen zu teilen, die
genauso wenig dafür getan haben. Robin hat mir die Geschichte mit der
reichen Tante abgenommen. Ich habe über eine Million in dieses Haus
investiert, und es war seine Idee, Benimmkurse für Neureiche oder
Emporkömmlinge zu geben, die sich nicht jedes Mal blamieren wollen,
wenn sie ihren Chef einladen oder ein Mädchen in ein anständiges
Restaurant ausführen.«
»Ich dachte, den Superreichen wäre das alles egal. Stellen die
nicht ihre eigenen Regeln auf?«, fragte Benton.
»Wir rechnen nicht damit, dass wir Milliardäre anlocken, aber
den meisten Leuten ist es nicht egal, glauben Sie mir. Unsere
Gesellschaft ist nach oben durchlässig. Niemand hat es gern, wenn er
sich in der Öffentlichkeit unsicher bewegt. Und unser Geschäft läuft
gut. Wir haben bereits achtundzwanzig Kunden, die fünfhundertfünfzig
Pfund für einen vierwöchigen Kurs zahlen. Stundenweise natürlich. Das
ist günstig. Es ist das Einzige von Robins Projekten, das je Aussicht
hatte, sich zu rechnen. Vor ein paar Wochen ist er aus seiner Wohnung
geflogen, deshalb hat er hier ein Zimmer auf der Rückseite bezogen. Er
ist … er war nicht gerade ein rücksichtsvoller Mitbewohner,
aber im Prinzip war uns beiden damit gedient. Er hatte ein Auge auf das
Haus, und er war hier, wenn er einen Kurs geben musste. Es klingt
vielleicht unwahrscheinlich, aber er war ein guter Lehrer und kannte
sich aus. Die Kunden mochten ihn. Das Problem mit Robin ist …
war seine Unzuverlässigkeit und Sprunghaftigkeit. Im einen Moment war
er euphorisch, im nächsten jagte er schon wieder einem neuen
bescheuerten Projekt nach. Er konnte einen wahnsinnig machen, aber
loswerden wollte ich ihn nie. Ich kam überhaupt nicht auf die Idee.
Wenn Sie mir erklären können, wie die Chemie zwischen so
unterschiedlichen Menschen funktioniert, dann würde ich mir gerne Ihre
Theorie anhören.«
»Und was ist mit seiner Beziehung zu Rhoda Gradwyn?«
»Na ja, das ist schon schwieriger. Er hat nicht viel von ihr
erzählt, aber er war offenbar gern mit ihr befreundet. Es hat ihm in
seinen Augen Renommee verschafft, und darauf kommt es schließlich an.«
»Hat Sex eine Rolle gespielt?«, fragte Kate.
»Kaum. Ich schätze, die Lady ist mit dickeren Fischen als
Robin schwimmen gegangen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie für
ihn schwärmte. Das kam bei ihm überhaupt selten vor. Vielleicht war er
zu schön, fast ein bisschen asexuell. Als würde man mit einer Statue
ins Bett gehen. Sex war ihm nicht wichtig, aber sie war es. Ich glaube,
sie hat eine Autorität für ihn dargestellt, ihm Stabilität verliehen.
Einmal hat er gesagt, mit ihr könne er reden und sie würde ihm die
Wahrheit sagen, zumindest was als solche durchgeht. Ich habe mich immer
gefragt, ob sie ihn an jemanden erinnert hat, eine Lehrerin vielleicht.
Und er hat im Alter von sieben Jahren seine Mutter verloren. Manche
Kinder überwinden das nie. Vielleicht hat er einen Ersatz gesucht.
Psychogeschwätz, ich weiß, aber womöglich ist ja etwas dran.«
Benton dachte bei sich, dass er das Adjektiv
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