Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod
Genremalerei
entdeckt, aber diese hektische und für seinen Geschmack wenig
überzeugende Darstellung von Reue gehörte nicht zu seinen
Lieblingsbildern.
Als sie das Gartentor öffneten, ging die Haustür auf, und ein
junges Paar wurde sanft, aber energisch nach draußen befördert. Ein
älterer Mann folgte ihnen, adrett wie eine Gliederpuppe, mit einem
fülligen weißen Haarschopf und so braungebrannt, wie es keine
Wintersonne zuwege gebracht hätte. Er trug einen Anzug mit Weste,
dessen auffallende Streifen seine magere Gestalt noch schmaler wirken
ließen. Er schien die Neuankömmlinge gar nicht zu bemerken, doch seine
hohe Stimme war deutlich zu vernehmen.
»Nicht klingeln. Schließlich soll das ein Restaurant sein und
kein Privathaus. Strengen Sie Ihre Fantasie an. Und, Wayne, mein
Lieber, stellen Sie es diesmal richtig an. Sie geben am Empfang Ihren
Namen und die Reservierung an, dann nimmt Ihnen jemand die Garderobe
ab, und Sie folgen demjenigen, der Sie begrüßt, an den Tisch. Die Dame
hat den Vortritt. Dass Sie mir nicht wieder vor allen an den Tisch
stürmen und den Stuhl für Ihre Begleiterin hervorziehen, als fürchteten
Sie, jemand könnte ihn wegschnappen. Lassen Sie den Mann seine Arbeit
tun. Er sorgt schon dafür, dass die Dame bequem sitzt. Also, auf ein
Neues. Und versuchen Sie doch, selbstsicher aufzutreten, mein lieber
Junge. Immerhin zahlen Sie die Rechnung. Ihre Aufgabe ist es, dafür zu
sorgen, dass Ihr Gast eine Mahlzeit einnimmt, die zumindest den
Anschein erweckt, ihr Geld wert zu sein, und einen netten Abend
verbringt. Daraus wird nichts, wenn Sie nicht wissen, was zu tun ist.
Nun gut, vielleicht gehen Sie jetzt hinein, und wir üben noch einmal
den Umgang mit Messern und Gabeln.«
Das Paar verschwand im Haus. Erst jetzt ließ er sich herab,
von Kate und Benton Notiz zu nehmen. Sie gingen zu ihm, und Kate
klappte ihre Brieftasche auf. »Detective Inspector Miskin und Detective
Sergeant Benton-Smith. Wir würden gerne Mr. Jeremy Coxon sprechen.«
»Verzeihen Sie, dass ich Sie warten ließ. Sie kamen leider
etwas ungelegen. Es wird noch lange dauern, bis man diese beiden guten
Gewissens ins Claridge's schicken kann. Ja, Jeremy hat erwähnt, dass er
die Polizei erwartet. Kommen Sie doch herein. Er ist oben im Büro.«
Sie traten ein. Linker Hand sah Benton durch eine offene Tür
einen kleinen Tisch für zwei Personen, der mit vier Gläsern an jedem
Platz und einer Unmenge von Gabeln und Messern gedeckt war. Das Paar
hatte bereits Platz genommen, und die beiden schauten einander
niedergeschlagen an.
»Ich heiße übrigens Alvin Brent. Wenn Sie sich einen
Augenblick gedulden, sehe ich oben nach, ob Jeremy fertig ist. Sie
gehen doch hoffentlich rücksichtsvoll mit ihm um. Er ist schrecklich
mitgenommen. Er hat einen sehr lieben Freund verloren. Aber was erzähle
ich Ihnen das, deshalb sind Sie ja hier.«
Er wollte gerade die Treppe hinaufgehen, als oben am
Treppenabsatz eine hohe Gestalt erschien. Er war groß und sehr schlank,
die glänzend schwarzen Haare waren aus einem traurigen blassen Gesicht
zurückgekämmt. Seine teure Kleidung vermittelte eine gepflegte
Lässigkeit, die ihn zusammen mit seiner theatralischen Haltung wie ein
Dressman erscheinen ließ, der für die Kamera posierte. Die enge
schwarze Hose saß tadellos. Benton kannte die Marke des nicht
zugeknöpften braunen Sakkos und wünschte, es sich leisten zu können.
Das gestärkte Hemd stand am Kragen offen, obwohl er eine Krawatte trug.
Die anfänglichen Sorgenfurchen glätteten sich, und er wirkte
erleichtert.
Er kam herunter, um sie zu begrüßen. »Ich bin heilfroh, dass
Sie da sind. Verzeihen Sie den Empfang. Ich war außer mir. Man hat mir
nichts erzählt, gar nichts, nur dass Robin tot aufgefunden wurde. Er
hatte mir am Telefon erzählt, dass Rhoda Gradwyn tot ist. Und jetzt
Robin. Sie wären nicht hier, wenn es ein natürlicher Tod gewesen wäre.
Ich muss es wissen – war es Selbstmord? Hat er eine Nachricht
hinterlassen?«
Sie folgten ihm die Treppe hinauf. Oben trat er zur Seite und
wies sie in einen Raum zur Linken, der vollgestellt war mit Dingen und
offensichtlich gleichzeitig als Wohn- und Arbeitszimmer genutzt wurde.
Auf einer großen, auf Böcken ruhenden Tischplatte standen ein Computer,
ein Faxgerät und ein Stapel mit Ablagekörben. Drei kleinere
Mahagonitische waren beladen mit Porzellananhängern, Prospekten und
Nachschlagewerken, und auf einem befand sich gefährlich nah am Rand ein
Drucker. An
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