Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod
Roman schreiben, was Sie eingedenk Ihrer breitgefächerten
Interessen zweifellos bald tun werden.«
Benton lachte. »Das war ein anstrengender Tag, Ma'am. Aber
wenigstens kehren wir nicht mit leeren Händen zurück.«
3
D ie Rückfahrt nach Dorset war ein Alptraum.
Sie brauchten über eine Stunde von Camden auf den M3, und dann steckten
sie mitten in der Kolonne der Autos fest, die am Ende des Arbeitstages
Stoßstange an Stoßstange aus London hinauskrochen. Nach Ausfahrt 5 kam
die langsame Prozession ganz zum Stillstand, weil ein Bus
liegengeblieben war und eine Fahrbahn blockierte. Sie standen fast eine
volle Stunde, bis die Straße wieder frei war. Da Kate danach nicht auch
noch anhalten wollte, um etwas zu essen, kamen sie müde und hungrig
erst um neun Uhr im Wisteria House an. Kate rief in der Alten Wache an,
und Dalgliesh bat sie zu kommen, sobald sie gegessen hatten. Sie
schlangen die Mahlzeit, auf die sie sich immer mehr gefreut hatten,
hastig hinunter, und Mrs. Shepherds Steak-and-Kidney-Pudding war durch
die lange Wartezeit auch nicht besser geworden.
Es war halb elf, als sie sich mit Dalgliesh zusammensetzten,
um ihm von ihrem Tag Bericht zu erstatten.
»Von der Agentin haben wir also nur erfahren, was wir ohnehin
schon wussten, nämlich dass Rhoda Gradwyn sehr zurückgezogen gelebt
hat. Offenbar respektiert Eliza Melbury sie im Tode genauso wie zu
Lebzeiten. Dann wollen wir mal hören, was Sie von Jeremy Coxon
mitgebracht haben. Fangen wir doch mit dem Unwichtigsten an, diesem
Kriminalroman. Haben Sie ihn schon gelesen, Benton?«, fragte Dalgliesh.
»Ich habe ihn im Auto rasch überflogen, Sir. Er endet mit
einer juristischen Komplikation, die ich nicht ganz begriffen habe. Für
einen Anwalt wäre das kein Problem, der Roman wurde ja auch von einem
Richter geschrieben. Im Grunde geht es in der Geschichte darum, dass
ein Todeszeitpunkt gefälscht werden soll. Durchaus denkbar, dass Boyton
durch den Krimi auf diese Idee kam.«
»Das wäre also ein weiteres Indiz dafür, dass Boyton wirklich
nach Stoke Cheverell kam, um den Westhalls Geld abzuknöpfen, und laut
Candace Westhall hat Rhoda Gradwyn ihm diesen Floh ins Ohr gesetzt, als
sie ihm von dem Buch erzählt hat. Aber lassen Sie uns auf eine
wichtigere Information zu sprechen kommen, die Veränderung in Boytons
Gemütslage, von der Coxon berichtet hat. Er sagt, Boyton sei von seinem
ersten Besuch am 27. November sehr niedergeschlagen zurückgekehrt.
Weshalb war er niedergeschlagen, wenn Candace Westhall ihm Zahlungen in
Aussicht gestellt hatte? Weil sein Verdacht mit der tiefgefrorenen
Leiche sich als Unsinn erwiesen hatte? Sollen wir wirklich glauben,
dass Candace Westhall ihn nur zappeln lassen wollte, um seine
Bloßstellung noch dramatischer zu inszenieren? Würde eine vernünftige
Frau so etwas tun? Coxon sagt, am letzten Donnerstag, vor Rhoda
Gradwyns OP-Termin, sei Boyton in völlig veränderter Stimmung hierher
aufgebrochen. Angeblich war er aufgeregt und optimistisch und hat von
der Aussicht auf Geld gesprochen. Er schickt Miss Gradwyn eine SMS und
fleht sie an, ihn zu empfangen, betont, wie dringlich die Sache ist.
Was ist zwischen seinem ersten und seinem zweiten Besuch passiert, das
die ganze Situation so völlig geändert hat? Er war im Testamentsbüro
von Holborn und hat sich eine Kopie des Testaments von Peregrine
Westhall besorgt. Warum, und warum zu diesem Zeitpunkt? Dass er nicht
bedacht worden war, hat er doch gewusst. Wäre es möglich, dass Candace
ihm finanzielle Hilfe angeboten hat, nachdem sie seine Anschuldigung,
die Leiche tiefgefroren zu haben, widerlegt hatte? Oder hat sie durch
irgendetwas den Verdacht in ihm geschürt, sie wolle sämtlichen
Diskussionen um das Testament ihres Vaters ein für alle Mal ein Ende
machen?«
»Sie denken an Urkundenfälschung, Sir?«, fragte Kate.
»Das wäre immerhin eine Möglichkeit. Wir sollten uns das
Testament mal ansehen.«
Dalgliesh legte es auf den Tisch, und sie betrachteten es
schweigend. »Das ganze Testament ist handschriftlich verfasst, das
Datum ist ausgeschrieben, der siebente Juli zweitausendfünf. Das war
der Tag der Bombenattentate in London. Wenn jemand das Datum gefälscht
hat, dann war es keine kluge Wahl. Die meisten Menschen wissen, was sie
am 7. Juli gemacht haben, genau wie sich jeder noch erinnert, wo er am
11. September war. Nehmen wir also an, dass sowohl das Datum als auch
der Text des Testaments tatsächlich von Peregrine Westhall geschrieben
wurden. Die
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