Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod
nicht behalten möchte, können in Absprache
mit meinem Sohn Marcus St. John Westhall verkauft oder anderweitig
verwendet werden. Alles andere, was ich an Geld und beweglichen Gütern
besitze, vermache ich zu gleichen Teilen meinen beiden Kindern, Marcus
St. John Westhall und Candace Dorothea Westhall.
Das Testament trug seine Unterschrift, bezeugt hatten es
Elizabeth Barnes, Hausangestellte, wohnhaft in Stone Cottage, Stoke
Cheverell, und Grace Holmes, Krankenschwester, wohnhaft im Rosemary
Cottage, Stoke Cheverell.
»Auf den ersten Blick betrachtet nichts, was für Robin Boyton
von Interesse sein könnte«, meinte Kate, »aber immerhin hat er sich die
Mühe gemacht, diese Kopie zu beschaffen. Das Buch werden wir wohl oder
übel lesen müssen. Sind Sie ein schneller Leser, Benton?«
»Ich bin ziemlich schnell, Ma'am. Das Buch ist auch nicht sehr
dick.«
»Dann fangen Sie am besten im Auto damit an, und ich fahre.
Wir lassen uns von Coxon eine Tüte geben und bringen alles in die Alte
Wache. In dem anderen Schrank ist wahrscheinlich nichts Wichtiges, aber
wir sollten trotzdem einen Blick drauf werfen.«
»Selbst wenn wir herausfinden, dass er mehr als nur einen
Freund hatte, der Grund zur Klage hatte, kann ich mir irgendwie nicht
vorstellen, dass ein Feind bis nach Stoke Cheverell fährt, um ihn
umzubringen, sich Zugang zum Cottage der Westhalls verschafft und die
Leiche in die Gefriertruhe steckt«, sagte Benton. »Aber von der Kopie
des Testaments hat er sich zweifellos mehr versprochen als die
Bestätigung, dass der alte Mann ihm nichts hinterlassen hatte. Aber
warum wurde es handschriftlich verfasst? Grace Holmes wohnt anscheinend
nicht mehr im Rosemary Cottage. Es steht zum Verkauf. Warum hat Boyton
versucht, sie zu erreichen? Und was ist mit Elizabeth Barnes? Sie
arbeitet derzeit nicht für die Westhalls. Aber das Datum des Testaments
ist interessant, nicht wahr?«
Kate sagte langsam: »Nicht nur das Datum. Machen wir, dass wir
hier wegkommen. Je schneller AD das in Händen hält, desto besser.
Vorher müssen wir noch bei Miss Gradwyns Agentin vorbei. Aber das
dauert bestimmt nicht lange. Wie hieß die Dame noch mal, Benton, und wo
wohnt sie?«
»Eliza Melbury, Ma'am. Wir haben einen Termin um drei Uhr
fünfzehn. Die Agentur liegt in Camden.«
»Mist! Das ist ein Umweg. Ich frage noch mal bei AD an, ob es
sonst wirklich nichts mehr in London zu erledigen gibt. Normalerweise
ist immer irgendwas im Yard abzuholen. Dann suchen wir uns schnell
etwas zum Mittagessen und machen uns auf den Weg, um zu hören, ob Eliza
Melbury uns etwas Interessantes mitzuteilen hat. Zumindest war dieser
Vormittag nicht verschwendet.«
2
D a sie ins Londoner Verkehrschaos geraten
waren, entpuppte sich die Fahrt zu Eliza Melburys Agentur in Camden als
mühsam und langwierig. Benton hoffte, dass der Gehalt ihrer Aussage
Zeit und Mühe rechtfertigen würde. Das Büro lag über einem Obst- und
Gemüseladen, dessen Geruch sie begleitete, als sie die schmale Treppe
zum ersten Stock hinaufstiegen und die Agentur betraten. In einem Raum,
offenbar das Hauptbüro, saßen drei junge Frauen vor ihren Computern,
während ein älterer Mann damit beschäftigt war, auf einem Regal, das
die gesamte Länge der Wand einnahm, Bücher umzuräumen, die allesamt in
bunten Schutzumschlägen steckten. Drei Augenpaare blickten auf. Als
Kate ihren Dienstausweis vorzeigte, stand eine der jungen Frauen auf,
klopfte an die Tür auf der Vorderseite des Gebäudes und rief fröhlich:
»Eliza, die Polizisten sind da. Sie hatten sie ja erwartet.«
Eliza Melbury beendete gerade ein Telefonat. Sie legte das
Telefon zur Seite und wies lächelnd auf zwei Stühle gegenüber dem
Schreibtisch. Sie war eine große, gutaussehende Frau mit Pausbäckchen,
ihr dunkel gekräuselter Haarschopf reichte bis zu den Schultern. Sie
trug einen bunten, mit Perlen verzierten Kaftan.
»Sie sind natürlich gekommen, um über Rhoda Gradwyn zu
sprechen«, sagte sie. »Mir wurde lediglich mitgeteilt, dass Sie einen
ungeklärten Todesfall, wie es hieß, untersuchen, und ich gehe davon
aus, dass Sie damit Mord meinen. Falls dem so sein sollte, ist das zwar
entsetzlich, aber ich weiß nicht recht, ob ich Ihnen weiterhelfen kann.
Rhoda kam vor zwanzig Jahren zu mir, als ich mich von Dawkins-Bower
getrennt und meine eigene Agentur gegründet habe, und von da an war sie
immer bei mir.«
»Wie gut haben Sie sie gekannt?«, fragte Kate.
»Als Autorin sehr gut, würde ich sagen. Das heißt,
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