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Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Titel: Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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war
achtzehn. Kurz zuvor war ich Sozius in der Kanzlei geworden und vertrat
Peregrine Westhall. Es waren keine sonderlich schwierigen oder
ungewöhnlichen Angelegenheiten, aber ich war doch häufig genug zu
Besuch, um mitzubekommen, was in diesem großen Steinhaus in den
Cotswolds vor sich ging, wo die Familie lebte. Die schöne zerbrechliche
Ehefrau, die sich mit ihrer Krankheit gegen ihren Mann wehrte, die
schweigsame, verängstigte Tochter, der in sich gekehrte junge Sohn. Ich
glaube, ich betrachtete mich damals als jemand, der sich für andere
Menschen interessierte, der sensibel für ihre Gefühle war. Vielleicht
war ich das auch. Wenn ich sage, dass Candace verängstigt war, möchte
ich damit nicht andeuten, dass ihr Vater sie missbraucht oder
geschlagen hätte. Er hatte nur eine einzige Waffe, die tödlichste von
allen – seine Zunge. Ich bezweifle, dass er sie je berührt
hat, und wenn, dann ganz gewiss nicht zärtlich. Er mochte einfach keine
Frauen. Vom Moment ihrer Geburt an war Candace eine Enttäuschung für
ihn. Ich möchte Ihnen jetzt nicht den Eindruck vermitteln, dass er vom
Wesen her ein grausamer Despot war. Ich kannte ihn als angesehenen
Akademiker und hatte keine Angst vor ihm. Ich konnte mit ihm reden,
Candace konnte das nie. Er hätte sie nur respektiert, wenn sie ihm
Paroli geboten hätte. Er hasste Unterwürfigkeit. Und es hätte nicht
geschadet, wenn sie hübsch gewesen wäre. Ist das nicht immer so bei
Töchtern?«
    »Es ist schwierig, jemandem Paroli zu bieten, wenn man sich
von frühester Kindheit an vor ihm fürchtet«, meinte Dalgliesh.
    Ohne auf den Kommentar einzugehen, fuhr Kershaw fort. »Unsere
Beziehung – und ich spreche ausdrücklich nicht von einer
Liebesaffäre – begann, als ich in Oxford bei Blackwell's
Bücher kaufen wollte und Candace dort gesehen habe. Sie wohnte da seit
dem Michaelmas Term. Sie schien ganz versessen aufs Plaudern, was mich
wunderte, und ich lud sie auf einen Kaffee ein. Ohne ihren Vater schien
sie aufzuleben. Sie redete, und ich hörte zu. Wir verabredeten uns
wieder, und es wurde zu einer Art Gewohnheit für mich, nach Oxford zu
fahren, wenn sie dort war, und mit ihr irgendwo auf dem Land zum
Mittagessen zu gehen. Wir waren beide begeisterte Wanderer, und ich
freute mich auf die herbstlichen Treffen und die Fahrten in die
Cotswolds. Wir haben nur ein einziges Mal miteinander geschlafen, an
einem ungewöhnlich warmen Nachmittag. Wir lagen im Wald unter einem
sonnenbeschienenen Blätterdach, und es war wohl eine Kombination aus
der Schönheit und Abgeschiedenheit unseres Plätzchens unter den Bäumen
und der Wärme und Behaglichkeit nach einem guten Essen, die uns zu
einem ersten Kuss verführt haben, und alles andere ist wie von selbst
passiert. Ich glaube, danach war uns beiden klar, dass es ein Fehler
gewesen war. Und wir kannten uns beide selbst gut genug, um zu wissen,
wie es dazu gekommen war. Sie hatte nach einer anstrengenden Woche im
College Trost gebraucht, und die Fähigkeit, Trost zu spenden, ist
höchst verführerisch – und ich meine nicht nur körperlich.
Candace fühlte sich sexuell unzulänglich, als Außenseiterin unter ihren
Kommilitoninnen, und ob bewusst oder nicht, sie hat auch nach einer
Gelegenheit gesucht, ihre Jungfräulichkeit loszuwerden. Ich war älter,
freundlich, mochte sie, ich war verfügbar, der ideale Partner für eine
erste sexuelle Erfahrung, die sie gleichermaßen wollte und fürchtete.
Bei mir konnte sie sich sicher fühlen.
    Von der Schwangerschaft hat sie mir erst erzählt, als es für
eine Abtreibung zu spät war. Wir wussten beide, dass ihre Familie es
nicht erfahren durfte, vor allem ihr Vater nicht. Sie befürchtete, dass
er sie dann nur noch mehr verachten würde, nicht weil sie mit einem
Mann geschlafen hatte, das wäre ihm egal gewesen, sondern weil sie sich
den Falschen ausgesucht hatte und auch noch so dumm gewesen war,
schwanger zu werden. Sie konnte mir haarklein schildern, was er sagen
würde, und ich war abgestoßen und entsetzt. Ich ging auf meine besten
Jahre zu und war Junggeselle. Ich hatte nicht die geringste Absicht,
Verantwortung für ein Kind zu übernehmen. Heute, wo es zu spät ist, um
noch etwas wiedergutzumachen, begreife ich erst, dass wir unsere
Tochter behandelt haben wie ein bösartiges Geschwür, das
herausgeschnitten werden musste, von dem man sich irgendwie befreien
musste, um es vergessen zu können. Wenn wir den Begriff Sünde verwenden
wollen – ich habe gehört, Sie

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