Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod
die Augen weit
aufgerissen vor Verwunderung, und sagte flüsternd: »Ist das seltsam.
Das Waschbecken ist innen angemalt. Blau, mit Blumen und Blättern. Und
das Klo hat eine riesige Brille aus Mahagoni. Es gibt gar keinen
richtigen Spülkasten. Man muss an einer Kette ziehen, wie auf dem Klo
von meiner Oma. Dafür ist die Tapete sehr schön, und es gibt
massenweise Handtücher. Ich wusste gar nicht, welches ich nehmen
sollte. Und die Seife ist auch teuer. Mach bitte schnell, Schatz. Ich
möchte hier nicht allein rumstehen. Meinst du, das Klo ist genauso alt
wie das Haus? Wahrscheinlich schon.«
»Nein«, sagte er, ihr sein überlegenes Wissen vorführend, »als
das Haus gebaut wurde, hat es noch gar keine Klos gegeben, jedenfalls
keine solchen. Das klingt mir eher viktorianisch. Frühes neunzehntes
Jahrhundert, würde ich sagen.«
Er sprach mit einer Selbstgewissheit, die er nicht fühlte,
entschlossen, sich nicht vom Manor einschüchtern zu lassen. Kim wollte
von ihm Sicherheit und Unterstützung. Warum sollte er sie merken
lassen, dass er das selber nötig hatte.
Als sie in den Flur zurückkehrten, wartete Maisie an der Tür
zum Großen Saal auf sie. »Der Tee steht drinnen bereit«, sagte sie. »In
einer Viertelstunde bin ich wieder da und bring Sie ins Büro.«
Im ersten Moment waren sie überwältigt vom Großen Saal und
schlichen wie Kinder unter den gewaltigen Deckenbalken umher, verfolgt
von den Blicken – so kam es ihnen vor –
elisabethanischer Edelmänner in Wams und Kniehose und junger, hochmütig
auf ihren Rössern thronender Soldaten. Eingeschüchtert durch so viel
Größe und Erhabenheit, achtete Dean erst nach einer Weile auf
Einzelheiten. Jetzt erst sah er den großen Teppich an der rechten Wand,
und den langen Eichentisch darunter, auf dem eine gewaltige Vase mit
Blumen stand.
Der Tee wartete auf einem niedrigen Tischchen vor dem Kamin
auf sie. Vor ihren Augen standen ein elegantes Teeservice, ein Teller
mit belegten Broten, Hörnchen und Marmelade, Butter und Früchtebrot.
Beide waren durstig. Kim schenkte mit zittrigen Händen den Tee ein,
während Dean, der bereits im Zug reichlich Sandwiches verdrückt hatte,
ein Hörnchen nahm und es sich dick mit Butter und Marmelade bestrich.
Nach dem ersten Bissen sagte er: »Die Marmelade ist hausgemacht, die
Hörnchen sind leider aus dem Laden.«
»Das Früchtebrot ist auch aus dem Laden«, sagte Kim. »Trotzdem
ganz gut, aber was meinst du, wie lange es hier schon keinen Koch mehr
gibt? Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir ihnen gekauften Kuchen
anbieten würden. Und das Mädchen, das uns aufgemacht hat, ist bestimmt
eine Aushilfe. So eine würden die doch nicht einstellen.« Sie
flüsterten wie Verschwörer, die einen Umsturz planten.
Maisie war pünktlich. Immer noch ohne ein Lächeln sagte sie
eine Spur zu geschwollen: »Wenn Sie mir jetzt bitte folgen wollen«,
führte sie durch die rechteckige Eingangshalle zu einer Tür am anderen
Ende, öffnete sie, sagte, »die Bostocks sind da, Miss Cressett, ich
habe ihnen Tee serviert«, und verschwand wieder.
Der Raum war klein, eichengetäfelt und offensichtlich sehr
funktional eingerichtet; der wuchtige Schreibtisch stand im Kontrast zu
der Faltenfüllung an den Wänden und einer Reihe kleinerer Bilder
darüber. Hinter dem Schreibtisch saßen drei Frauen und wiesen ihnen
zwei Stühle an, die schon bereitstanden.
»Mein Name ist Helena Cressett«, sagte die größte von ihnen.
»Ich möchte Ihnen Oberschwester Holland und Mrs. Frensham vorstellen.
Hatten Sie eine angenehme Reise?«
»Sehr angenehm, vielen Dank«, antwortete Dean.
»Gut. Wir müssen Ihnen noch Ihre Unterkünfte und die Küche
zeigen, bevor Sie sich entscheiden, aber zuerst würden wir Ihnen gerne
etwas über die Arbeit erzählen. Sie unterscheidet sich in mancher
Hinsicht von den normalen Aufgaben eines Kochs. Mr. Chandler-Powell
arbeitet von Montag bis Mittwoch in London. Der Wochenbeginn ist also
vergleichsweise leicht für Sie. Sein Assistent, Mr. Marcus Westhall,
lebt mit seiner Schwester und seinem Vater in einem der Cottages, und
ich koche in der Regel für mich selbst in meiner Wohnung hier im Haus,
aber hin und wieder lade ich abends ein paar Leute zu mir ein und werde
Sie dann bitten, für mich zu kochen. Die zweite Wochenhälfte ist dafür
umso arbeitsreicher für Sie. Dann sind der Anästhesist und die Pflege-
und Hilfskräfte im Haus, sie bleiben entweder über Nacht oder fahren
nach der Arbeit wieder heim. Wenn
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