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Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Titel: Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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wenig von der Frau in
Erinnerung geblieben. Sie war zu ihm gekommen, um sich von einer
Entstellung zu befreien, die sie nicht mehr brauchte. Er hatte sie um
keine Erklärung gebeten, und sie hatte ihm keine gegeben. In wenig mehr
als zwei Wochen würde er sie davon befreit haben, und wie sie ohne die
Narbe zurechtkam, sollte nicht seine Sorge sein.
    Er drehte sich um und machte sich auf den Rückweg zum Haus,
währenddessen schob eine Hand das Fenster ein Stück heran und zog den
Vorhang halb zu. Ein paar Minuten später erlosch das Licht im Zimmer,
und der Westflügel lag in Dunkelheit.

7
    D ean Bostocks Herz tat immer einen kleinen
Freudensprung, wenn Mr. Chandler-Powell telefonisch ankündigte, dass er
früher als erwartet kommen und rechtzeitig zum Abendessen im Manor sein
würde. Diese Mahlzeiten kochte Dean am liebsten, besonders wenn der
Chef Zeit und Muße hatte, zu genießen und zu loben. Mr. Chandler-Powell
brachte etwas von der Energie und der Erregung der Hauptstadt mit,
ihren Gerüchen, ihren Lichtern, dem Gefühl, im Zentrum der Dinge zu
sein. Wenn er kam, rannte er beinahe durch den Großen Saal in die
Bibliothek, streifte wie aus vorübergehender Knechtschaft befreit die
Jacke ab und warf die Londoner Abendzeitung in den Sessel. Allein die
Zeitung, die sich Dean später holte, um sie in Ruhe zu studieren,
mahnte ihn daran, wo er eigentlich hingehörte. Er war in Balham geboren
und aufgewachsen. London war seine Stadt. Kim war auf dem Land geboren
und aus Sussex in die Hauptstadt gekommen, um ihre Ausbildung an der
Kochschule zu beginnen, die er bereits im zweiten Jahr besuchte. Keine
zwei Wochen nach ihrer ersten Bekanntschaft hatte er gewusst, dass er
sie liebte. So war es ihm immer vorgekommen – er hatte sich
nicht verliebt, er war nicht verliebt, er liebte. Das war fürs Leben,
seins und ihres. Und zum ersten Mal seit der Hochzeit wusste er, dass
sie glücklicher war als je zuvor. Wie konnte er sich nach London
sehnen, wenn Kim so zufrieden mit ihrem Leben in Dorset war? Neue
Menschen und neue Orte machten sie scheu, aber vor langen kalten
Winternächten fürchtete sie sich nicht. Ihn verängstigte und verwirrte
die völlige Dunkelheit sternloser Nächte, deren Schrecken durch die
halbmenschlichen Schreie von Tieren zwischen den räuberischen Zähnen
ihrer Jäger noch gesteigert wurde. Diese schöne, scheinbar friedliche
Landschaft steckte voller Schmerz. Er vermisste die Lichter, den vom
Grau und Violett und den Blautönen des rastlosen Stadtlebens
verschrammten Nachthimmel, die wechselnden Muster der Verkehrsampeln,
die sich aus Pubs und Läden auf glitzernde regennasse Gehsteige
ergießenden Lichter. Leben, Schnelligkeit, Lärm, London.
    Er mochte seine Arbeit im Manor, aber sie füllte ihn nicht
aus. Sie unterforderte sein Talent. Mr. Chandler-Powell wusste gutes
Essen zu schätzen, aber wenn er operierte, nahm er sich sehr wenig Zeit
dafür. Dean wusste, dass er sich beschwert hätte, wenn einmal eine
Mahlzeit unter dem gewohnten Standard geblieben wäre, aber die hohe
Qualität schien er als selbstverständlich zu nehmen, aß hastig und war
schnell wieder draußen. Die Westhalls aßen meistens im Cottage, wo Miss
Westhall ihren Vater bis zu seinem Tode im März gepflegt hatte, und
Miss Cressett zog es vor, in ihrer Wohnung zu speisen. Immerhin war sie
die Einzige, die sich Zeit nahm, in die Küche zu kommen und mit Kim und
ihm zu reden, Speisenfolgen zu besprechen, ihm für die Erfüllung von
Extrawünschen zu danken. Die Patienten waren nervös und in der Regel
nicht hungrig, und wenn die externen Pflegekräfte ihr Mittagessen im
Manor bekamen, aßen sie eilig, lobten ihn im Hinausgehen und machten
sich wieder an die Arbeit. Das alles unterschied sich so sehr von
seinem Traum eines eigenen Restaurants, einer eigenen Speisekarte,
eigenen Kunden, eines Ambientes, in dem er und Kim aus ihrer Fantasie
schöpfen konnten. Manchmal, wenn er nachts schlaflos neben ihr lag,
erschreckte er sich selber mit der stillen Hoffnung, es könnte Mr.
Chandler-Powell zu anstrengend und unrentabel werden, in London und in
Dorset zu arbeiten, so dass er die Klinik schließen und er und Kim sich
nach einem neuen Job würden umsehen müssen. Und vielleicht würden ihm
Mr. Chandler-Powell und Miss Cressett sogar dabei helfen, eine neue
Basis zu finden. Aber in die Hektik einer Londoner Restaurantküche
konnten er und Kim auf keinen Fall zurückkehren. Das war kein Leben für
Kim. Er erinnerte sich noch mit

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