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Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Titel: Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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Grauen des schrecklichen Tages, an dem
sie ihren Job verloren hatten.
    Mr. Carlos hatte sie in sein besenkammergroßes Allerheiligstes
hinter der Rückwand der Küche gerufen, das er hochtrabend ›Büro‹
nannte, und sein nicht unbeträchtliches Hinterteil in den geschnitzten
Schreibtischstuhl gequetscht, den er von seinem Großvater geerbt hatte.
Das verhieß selten Gutes. In diesem Sitzmöbel wurde Carlos von
genetisch vererbter Autorität durchströmt. Ein Jahr davor hatte er
verkündet, er sei wiedergeboren. Eine Regeneration, die dem Personal
nicht gut bekommen war, und es herrschte allgemeines Aufatmen, als nach
neun Monaten der alte Adam wieder zum Vorschein kam und die Küche keine
fluchfreie Zone mehr war. Aber ein Relikt der Wiedergeburt war
geblieben: drastischere Ausdrücke als ›verdammt‹ blieben verboten, und
von dem machte Carlos jetzt ausgiebigen Gebrauch.
    »Es tut mir verdammt leid, Dean, aber Kimberley muss gehen.
Ich kann sie mir beim besten Willen nicht leisten, kein Restaurant
könnte das. Verdammt langsam ist gar kein Ausdruck. Wenn du sie zur
Eile treibst, glotzt sie dich an wie 'n geprügelter Köter und wird
nervös und versaut in neun von zehn Fällen das ganze verdammte Gericht.
Und sie steckt euch alle an. Nicky und Winston sind nur noch damit
beschäftigt, ihr beim Servieren zu helfen. Und du bist auch nur noch
zur Hälfte bei deinem eigentlichen Job. Ich führe ein Restaurant und
keinen verdammten Kindergarten.«
    »Kim ist eine gute Köchin, Mr. Carlos.«
    »Sie ist eine verdammt gute Köchin. Sonst wäre sie ja nicht
hier. Und das soll sie verdammt noch mal auch bleiben, aber nicht bei
mir. Warum lässt du sie nicht einfach zu Hause? Mach ihr ein Kind, dann
kannst du immer nach Hause gehen und was Anständiges essen, was du
nicht selber kochen musstest, und sie ist auch glücklicher. Das hab ich
immer wieder erlebt.«
    Woher sollte Carlos auch wissen, dass ihr Zuhause ein
Wohnschlafzimmer in Paddington war, dass die Arbeit in seinem
Restaurant Teil eines minutiös kalkulierten Plans war, dass sie Woche
für Woche Kims Lohn beiseitelegten, zu zweit dafür arbeiteten, sich
eines Tages, wenn sie genug Geld gespart hatten, ein eigenes Restaurant
zu suchen? Sein Restaurant. Ihr Restaurant. Und erst wenn das Geschäft
lief und sie in der Küche nicht mehr gebraucht wurde, konnten sie an
das ersehnte Baby denken. Kim war dreiundzwanzig. Sie hatten jede Menge
Zeit.
    Nachdem er die Botschaft verkündet hatte, lehnte Carlos sich
zurück und kehrte den Großzügigen heraus. »Nicht nötig, dass Kimberley
bis zum Monatsende arbeitet. Sie darf schon diese Woche aufhören. Da
hat sie wenigstens noch einen bezahlten Urlaub. Und du bleibst
natürlich. Du hast das Zeug zu einem verdammt guten Chefkoch. Das
Talent, die Fantasie. Und du scheust nicht vor harter Arbeit zurück. Du
kannst es weit bringen. Aber noch ein Jahr mit Kimberley als
Küchenhilfe, und ich kann den verdammten Laden dichtmachen.«
    Dean hatte seine Stimme wiedergefunden, ein krächzendes
Vibrato mit beschämend flehendem Unterton. »Aber wir haben immer
zusammen arbeiten wollen. Kim nimmt keinen Job an, wenn ich nicht dabei
bin.«
    »Keine verdammte Woche würde sie allein durchhalten. Es tut
mir leid, Dean, aber so ist das. Du könntest natürlich eine Stelle für
euch beide suchen. Aber nicht in London. Vielleicht in irgendeinem
verdammten Provinzkaff. Sie ist 'n hübsches Ding, mit guten Manieren.
Ein paar Hörnchen backen, selbstgemachten Kuchen für den
Nachmittagstee, hübsch serviert mit Spitzendeckchen, so was in der Art.
Damit wäre sie nicht überfordert.«
    Sein herablassender Ton war ein Schlag ins Gesicht. Dean fand
es scheußlich, so mutterseelenallein dazustehen, verletzt, erniedrigt,
er wünschte sich eine Rückenlehne, etwas Handfestes, um sich daran
festzuhalten, um all die Wut, Verachtung und Verzweiflung unter
Kontrolle zu bringen. Und Carlos hatte ja nicht einmal unrecht. Diese
Vorladung ins Büro war nicht unerwartet gekommen. Er hatte sich seit
Wochen davor gefürchtet. Er nahm sich noch einmal zusammen und sagte:
»Ich würde gerne noch bleiben. Jedenfalls so lange, bis wir etwas
gefunden haben.«
    »Soll mir recht sein. Ich sage ja, du hast das Zeug zu einem
verdammt guten Chefkoch.«
    Natürlich würde er bleiben. Wenn der Traum vom Restaurant auch
geplatzt war, mussten sie wenigstens nicht verhungern.
    Am Ende der Woche hatte Kim aufgehört, und auf den Tag genau
zwei Wochen später waren sie auf die

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