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Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Titel: Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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Anzeige gestoßen: Für Cheverell
Manor wurde ein Ehepaar gesucht – ein Koch und ein Hilfskoch.
Das Vorstellungsgespräch hatte letztes Jahr an einem Dienstag Mitte
Juni stattgefunden. In dem Brief hatte gestanden, dass sie den Zug von
Waterloo nach Wareham nehmen mussten, dort würde man sie am Bahnhof
abholen. Im Rückblick kam es Dean vor, als wären sie in einer Art
Trance gereist, hätten sich ohne eigenen Willen durch eine grüne
Zauberlandschaft in eine ferne und unvorstellbare Zukunft befördern
lassen. Immer wieder hatte er Kims Profil vor dem Auf und Ab der
Telegrafenkabel und – später – den grünen Hecken und
Feldern dahinter betrachtet und nur den einen Wunsch gehabt, dass
dieser außergewöhnliche Tag ein gutes Ende finden möge. Seit er ein
Kind war, hatte er nicht mehr gebetet, aber jetzt wiederholte er
pausenlos dieselbe verzweifelte Litanei: »Bitte, lieber Gott, mach,
dass alles gut wird. Bitte mach, dass sie hinterher nicht enttäuscht
ist.«
    Kurz vor Wareham drehte sie sich noch einmal zu ihm um und
sagte: »Hast du die Empfehlungen auch nicht vergessen, Liebling?« Sie
hatte ihn jede Stunde danach gefragt.
    Auf dem Bahnhofsplatz in Wareham wartete ein Range Rover mit
einem stämmigen älteren Mann hinterm Steuer. Ohne auszusteigen winkte
er sie zu sich her. »Ihr müsst die Bostocks sein«, sagte er. »Ich bin
Tom Mogworthy. Kein Gepäck? Na, wozu auch? Ihr bleibt ja sowieso nicht.
Setzt euch hinten rein.«
    Kein besonders vielversprechender Empfang, wie Dean fand, aber
was spielte das für eine Rolle, wenn die Luft so gut duftete und man
durch eine solche Schönheit chauffiert wurde? Es war ein strahlender
Sommertag, der Himmel azurblau und wolkenlos. Durch die offenen Fenster
des Range Rover wehte ihnen eine kühlende Brise ins Gesicht, die
draußen kaum ausreichte, die zarten Zweige der Bäume zu bewegen oder
das Gras zum Rascheln zu bringen. Die Bäume standen in vollem Laub,
noch frisch vom Frühling, die Äste noch nicht träge unter der staubigen
Schwere des August. Es war Kim, die sich nach zehn Minuten schweigsamer
Fahrt nach vorn lehnte und sagte: »Arbeiten Sie auf Cheverell Manor,
Mr. Mogworthy?«
    »Seit fast fünfundvierzig Jahren. Als kleiner Junge hab ich
auf dem Besitz angefangen, den Boskettgarten getrimmt. Das mach ich
heute noch. Damals war Sir Francis der Besitzer, und nach ihm Sir
Nicholas. Ihr arbeitet für Mr. Chandler-Powell, falls die Damen euch
nehmen.«
    »Spricht er denn nicht selber mit uns?«, fragte Dean.
    »Er ist in London. Von Montag bis Mittwoch operiert er dort.
Miss Cressett und Schwester Holland werden mit euch sprechen. Mit
Hausangelegenheiten gibt Mr. Chandler-Powell sich nicht ab. Überzeugt
ihr die Damen, habt ihr den Job. Wenn nicht, geht's wieder ab zum
Bahnhof.«
    Es war kein verheißungsvoller Anfang, und auf den ersten Blick
wirkte sogar die Schönheit des Manor, das in silbriger Stille in der
Sommersonne stand, eher einschüchternd als beruhigend. Mogworthy setzte
sie vor dem Eingang ab, deutete kurz auf die Türglocke, stieg dann
wieder in den Range Rover und fuhr ihn um den Ostflügel des Hauses
herum. Entschlossen zog Dean an dem eisernen Glockenzug. In der halben
Minute, bis die Tür sich öffnete, hörten sie keinen Laut, dann stand
plötzlich eine junge Frau vor ihnen. Sie hatte schulterlanges blondes
Haar, das Dean nicht allzu frisch gewaschen vorkam, dick aufgetragenes
Lippenrot und trug Jeans unter einer bunten Schürze. Er ordnete sie als
Dorfbewohnerin ein, die hier aushalf, ein erster Eindruck, der sich als
richtig herausstellen sollte. Sie musterte ihn eine Weile mit stiller
Abneigung, dann sagte sie: »Ich bin Maisie. Miss Cressett sagt, ich
soll Ihnen den Tee in den Großen Saal bringen.«
    Wenn er an ihre Ankunft zurückdachte, musste Dean sich immer
noch wundern, wie alltäglich ihm die Pracht des Großen Saals inzwischen
erschien. Jetzt verstand er, dass die Besitzer solcher Häuser sich an
ihre Schönheit gewöhnten, sich wie selbstverständlich durch die Flure
und Räumlichkeiten bewegten, ohne die Bilder und Gegenstände, ohne die
Pracht, von der sie umgeben waren, auch nur eines Blickes zu würdigen.
Er musste lächeln, wenn er sich daran erinnerte, wie man sie auf die
Bitte hin, sich die Hände waschen zu dürfen, zu einem Raum am Ende des
Flurs geführt hatte, der offenbar als Toilette und Badezimmer diente.
Maisie war wieder verschwunden, und Kim als Erste hineingegangen.
    Nach drei Minuten kam sie wieder heraus,

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