Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod
zu
ihrem Job gemacht, Dinge über andere Menschen zu erfahren, mit denen
sie ihnen weh tun, Ärger machen kann oder Schlimmeres, und mit denen
sie das breite englische Publikum in Erregung versetzen kann, wenn sie
publik werden. Sie verkauft Geheimnisse gegen Bezahlung.«
»Ist das nicht eine maßlose Übertreibung?«, fragte er. »Und
selbst wenn es wahr wäre, wäre das keine Legitimation, sie nicht dort
zu behandeln, wo sie es wünscht. Wozu die Aufregung? Sie wird hier
nichts finden, um ihren Appetit zu stillen.«
»Sind Sie da so sicher? Die findet etwas.«
»Und unter welchem Vorwand sollte ich sie davon abhalten,
wiederzukommen?«
»Sie müssten sie nicht vor den Kopf stoßen. Sagen Sie einfach,
es wäre versehentlich zu einer Doppelbuchung gekommen und Sie hätten
kein Bett frei.«
Nur mit Mühe konnte er seinen Ärger unterdrücken. Eine solche
Einmischung in den Umgang mit seinen Patienten war unerträglich.
»Candace, was soll das alles?«, fragte er. »Sie sind sonst so
vernünftig. Das klingt ja fast nach Verfolgungswahn.«
Sie ging voraus in die Küche, um die Kaffeebecher zu spülen
und die Kaffeemaschine zu leeren. Nach kurzem Schweigen sagte sie: »Das
hab ich mich auch schon gefragt. Ich gebe zu, es hört sich abwegig und
irrational an. Außerdem steht es mir nicht zu, mich in diese Dinge
einzumischen, ich kann mir bloß nicht vorstellen, dass Patienten, die
wegen der Diskretion hierherkommen, erfreut darüber sind, sich in
Gesellschaft einer berüchtigten Sensationsreporterin wiederzufinden.
Aber Sie müssen sich keine Sorgen machen. Ich werde ihr nicht über den
Weg laufen, heute nicht und nicht, wenn sie wiederkommt. Und ich habe
auch nicht vor, ihr mit dem Küchenmesser zu Leibe zu rücken. Das ist
sie, ehrlich gesagt, gar nicht wert.«
Sie brachte ihn zur Tür. Er sagte: »Wie ich sehe, gibt uns
Robin Boyton mal wieder die Ehre. Ich glaube, Helena hat erwähnt, dass
er kommt. Wissen Sie, weshalb er hier ist?«
»Weil Rhoda Gradwyn hier ist, sagt er. Anscheinend sind sie
befreundet, und er denkt, dass sie froh über Gesellschaft ist.«
»Für eine Nacht? Und wenn sie operiert wird, mietet er sich
dann auch im Cottage ein? Er wird sie nicht zu sehen bekommen, und
heute auch nicht. Sie hat keinen Zweifel daran gelassen, dass sie hier
absolut ungestört sein will, und ich werde dafür sorgen, dass sie es
auch bleibt.«
Als er die Gartentür hinter sich zuklappte, fragte er sich,
was hinter alldem steckte. Es musste einen persönlichen Grund für die
Abneigung geben, anders war sie nicht zu erklären. Richtete sie alle
Frustration der zwei Jahre, die sie an einen ungeliebten alten Mann
gefesselt war, mit der Aussicht, ihren Job zu verlieren, nun auf Rhoda
Gradwyn? Und jetzt ging Marcus nach Afrika. Da konnte sie ihn noch so
unterstützen in seinem Entschluss, glücklich dürfte sie kaum darüber
sein. Als er jetzt mit energischen Schritten auf das Manor zuging,
vergaß er Candace Westhall und ihre Sorgen und konzentrierte sich auf
seine eigenen. Er würde einen Ersatz für Marcus finden, und falls
Flavia ebenfalls gehen wollte, würde sich auch dafür eine Lösung
finden. Sie wurde ungeduldiger. Es gab Anzeichen, die nicht einmal er
übersehen konnte, so beschäftigt er auch war. Vielleicht wurde es Zeit,
die Affäre zu beenden. Die Weihnachtsferien rückten näher, die Arbeit
wurde weniger, vielleicht sollte er jetzt den Mut fassen und der
Geschichte ein Ende machen.
Zurück im Manor beschloss er, mit Mogworthy zu reden, der
wahrscheinlich die unverlässliche Wintersonne nutzte und im Garten
arbeitete. Zwiebeln mussten gesetzt werden, und er musste langsam
einmal etwas Interesse für Mogs und Helenas Pläne für den Frühling an
den Tag legen. Er betrat das Haus durch den Nordeingang, der zur
Terrasse und in den Boskettgarten führte. Mogworthy war nirgends zu
sehen, dafür steuerten zwei andere Gestalten Seite an Seite auf die
Lücke in der hinteren Buchenhecke zu, den Durchgang in den Rosengarten.
Die kleinere war Sharon, und in ihrer Begleiterin erkannte er Rhoda
Gradwyn. Also zeigte Sharon ihr den Garten, eine Aufgabe, die
normalerweise Helena oder Lettie übernahm, wenn ein Gast darum bat. Er
stand da und blickte dem seltsamen Paar nach, bis es hinter der Hecke
verschwand, anscheinend im vertrauten Zwiegespräch, Sharon zu ihrer
Begleiterin aufschauend. Aus irgendeinem Grund beunruhigte ihn dieser
Anblick. Marcus' und Candace' Vorahnungen hatten ihn eher verärgert als
beunruhigt,
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