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Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Titel: Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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ihr Beruf. Die Patienten
verlassen sich auf unsere Diskretion und erwarten absolute
Vertraulichkeit. Ist das nicht der Sinn dieses Hauses?«
    »Nicht der einzige. Und ich werde mich hüten, meine Patienten
nach anderen als medizinischen Kriterien auszusuchen. Ganz bestimmt
mache ich keinen Versuch, der Publikumspresse einen Maulkorb anzulegen.
In Anbetracht der Machenschaften und Hinterlist unserer Regierungen
brauchen wir eine Institution, die stark genug ist, von Zeit zu Zeit
den Mund aufzureißen. Ich habe mal geglaubt, in einem freien Land zu
leben. Jetzt muss ich einsehen, dass das ein Irrtum war. Aber wir haben
wenigstens noch eine freie Presse, und ich bin sogar bereit, ein
gewisses Maß an Unsitte, Populismus, Sentimentalität, sogar an falschen
Darstellungen in Kauf zu nehmen, damit sie frei bleibt. Ich nehme an,
Candace hat Sie bearbeitet. Auf Ihrem eigenen Mist ist das sicher nicht
gewachsen. Wenn Ihre Schwester persönliche Gründe für ihre Abneigung
gegen Miss Gradwyn hat, soll sie ihr eben aus dem Weg gehen. Die
Patienten fallen nicht in ihre Zuständigkeit. Sie muss ihr nicht
begegnen, jetzt nicht und auch nicht, wenn sie wiederkommt. Ich suche
meine Patienten nicht nach dem Geschmack Ihrer Schwester aus. So, und
wenn das jetzt alles ist, was Sie mir zu sagen haben – ich
denke, wir haben beide genug zu tun. Ich jedenfalls.«
    Er stand auf und blieb an der Tür stehen. Ohne ein weiteres
Wort ging Marcus an George vorbei, streifte ihn dabei am Ärmel und
verließ das Büro. Er fühlte sich wie ein unfähiger, in Unehren
entlassener Dienstbote. Das war der Mentor, den er jahrelang bewundert,
wenn nicht sogar verehrt hatte. Und jetzt musste er mit Schrecken
feststellen, dass seine Gefühle für ihn von Hass nicht mehr weit
entfernt waren. Ein Gedanke, beinahe eine Hoffnung, illoyal und
schändlich, ergriff Besitz von ihm. Vielleicht müsste der Westflügel,
das ganze Unternehmen, die Pforten schließen, wenn es zu einem Unglück
kam, einem Feuer, einer Infektion, einem Skandal. Wie wollte
Chandler-Powell weitermachen, wenn die zahlungskräftigen Patienten
ausblieben? Er versuchte, diesen unvorstellbaren Fantasien den Zugang
zu seinem Denken zu verwehren, aber sie ließen sich nicht zurückhalten,
zu seinem Entsetzen nicht einmal die schändlichste und schrecklichste
von allen – der Tod eines Patienten.

11
    C handler-Powell wartete, bis Marcus'
Schritte verhallt waren, bevor er das Manor verließ, um Candace
Westhall zu besuchen. Er hatte anderes mit diesem Mittwoch vorgehabt,
als sich in Streitereien mit Marcus oder seiner Schwester verwickeln zu
lassen, aber jetzt war eine Entscheidung gefallen, und er wollte so
schnell wie möglich über Candace Westhalls Pläne Bescheid wissen.
Sollte auch sie beschlossen haben, Cheverell Manor zu verlassen, wäre
das ärgerlich, aber es wäre verständlich, wenn sie jetzt, nachdem ihr
Vater tot war, zum nächsten Studienjahr auf ihren Posten an der
Universität zurückkehren wollte. Und selbst wenn sie es nicht vorhatte,
war ihre Aufgabe im Manor als Helenas Vertretung, wenn Helena in London
war, und als Aushilfskraft im Büro nicht gerade eine berufliche
Perspektive. Er mischte sich nicht gerne in die Hausverwaltung des
Manor ein, aber wenn Candace ihn verließ, musste er das so schnell wie
möglich wissen.
    In einer unsteten Wintersonne ging er den Weg zum Stone
Cottage hinauf, und beim Näherkommen sah er den dreckverspritzten
Sportwagen vor dem Rose Cottage stehen. Westhalls Cousin, Robin Boyton,
war also wieder mal da. Ihm fiel ein, dass Helena seinen Besuch mit
wenig Vorfreude erwähnt hatte, und die Westhalls würden ähnlich
empfinden. Boyton hatte die Angewohnheit, sich kurzfristig im Cottage
einzumieten, aber da es frei war, hatte Helena ihm wohl schlecht
absagen können.
    Er sah immer wieder mit Erstaunen, wie das Stone Cottage sich
verändert hatte, seit Candace und ihr Vater vor zweieinhalb Jahren
hierhergekommen waren. Sie war eine eifrige Gärtnerin. Chandler-Powell
vermutete, dass die Arbeit ihr nicht selten als legitimer Vorwand
gedient hatte, von Peregrine Westhalls Bett fernzubleiben. Er hatte den
Mann nur zweimal besucht, bevor er gestorben war, aber er
wusste – wie vermutlich das ganze Dorf –, dass er ein
selbstsüchtiger, schwieriger und undankbarer Pflegling gewesen war. Und
jetzt, nachdem er tot war und Marcus aus England fortging, würde
Candace, befreit von einer Pflicht, die ihr wie eine Knechtschaft
vorgekommen sein musste,

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