Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
verzehrten ihre Morgenmahlzeit. Obwohl sicher alle gesehen hatten, wo Gertrud sich versteckt hielt, waren sie sehr einträchtig und schwiegen. Die junge Frau mit dem strengen Blick kam näher. In Adelheid würgte der Lachreiz und auch in Bruder Bernhards Augen stand bereits das Wasser, so sehr beherrschte er sich.
Vor dem Mönch blieb Richenza stehen und fragte: „Ihr habt wohl nicht gerade Gertrud hier gesehen?“
Bernhard schüttelte den Kopf, wagte aber nichts zu sagen. Vielleicht wollte er nicht lügen, vielleicht hatte er auch einfach Angst, seine Stimme könne ihn verraten.
„Nur frage ich mich, Bruder, wieso Euch über Nacht zwei zusätzliche Füße gewachsen sind?“ Richenzas Tonfall zeugte ebenfalls von mühsamer Beherrschung.
Ehrlich betroffen blickte Bernhard zu Boden, wo zwischen seinen derben ledernen Sandalen zwei kleine Kinderschuhe an dünnen Beinen hervorragten, die sich im selben Moment ganz langsam unter die Kutte zurückzogen.
„Ich weiß nicht, Herzogin. Sie waren da ganz plötzlich.“ Ein breites Grinsen lag jetzt auf seinem Gesicht und seine Augen baten um Nachsicht.
„Nun gut, sollte Euch die Jungfer über den Weg laufen, schickt sie zu mir. Ich werde warten.“ Damit drehte sie sich um und eilte kopfschüttelnd hinaus.
„Kommt heraus, Jungfer Gertrud! Eure Frau Mutter ist weg!“, stieß der Mönch zwischen zwei Lachsalven hervor. Blitzschnell tauchte der kleine Blondschopf unter dem Tisch hervor und der Mönch brachte eilig seine Kleidung wieder in Ordnung.
„Ihr habt Haare an den Beinen!“, sagte die Kleine vorwurfsvoll, statt sich für das sichere Versteck zu bedanken.
„Nun ja …“, murmelte Bruder Bernhard und sein Gesicht nahm die Farbe eines reifen Augustapfels an.
Adelheid half ihm aus der Patsche: „Alle Männer haben das, Jungfer Gertrud, Euer Vater auch! Doch sagt, warum seid Ihr Eurer Mutter davongelaufen?“
Ohne Argwohn betrachtete Gertrud die fremde Frau und entgegnete schließlich: „Sie meint, is soll diese dumme Laute spielen. Aber is habe keine Lust! Is will mit ssur Jagd reiten!“
„Zur Jagd?“, fragte Adelheid und dachte im Stillen, wie ähnlich dieses Mädchen ihrer Helisende war und wie sehr sie selbst sich früher gewünscht hatte, mit ihrem Vater und ihrem Bruder zur Jagd reiten zu dürfen.
„Heute ist Treibjagd, deshalb viele Gäste sind im Haus!“, antwortete Bernhard und erhob sich seufzend. „Kommt, Jungfer, wir werden uns die Laute stellen, wie eine echte Ritter dem Kampf!“
„Werdet Ihr mit mir üben, Bruder Mönss?“ Ihr kleines Gesicht hob sich ihm erwartungsvoll entgegen.
„Isch weiß nicht recht, …“, stöhnte er mit einem fragenden Seitenblick auf Adelheid.
Diese nickte ihm, noch immer leise lachend, zu. „Geht nur, ich werde hier noch ein wenig über der Zeichnung grübeln.“ Dann blickte sie dem großen Mann nach, der mit dem kleinen hüpfenden Energiebündel an der Hand aus dem Saal schlurfte.
A ls der erste Schnee fiel, hatten sich die Tore von Lare gerade wieder hinter dem aus Goslar zurückkehrenden Reisegefährt geschlossen. Obwohl sie noch immer von dem quälenden Husten geplagt wurde, hatte Adelheid darauf bestanden, heimzufahren. Das Wetter war relativ günstig, ein starker Frost hatte den Boden gefrieren lassen, sodass der Wagen nicht dauernd im Morast stecken blieb. Hinzu kam, dass Adele in Kürze ihr zweites Kind erwartete und Adelheid nicht unnötig lange fortbleiben wollte. Richenza hatte vor der Abreise versprochen, ihren Gemahl immer wieder an die vertrackte Angelegenheit zwischen Lare und dem Kloster Huisburg zu erinnern. Adelheid wusste, dass sie sich darauf verlassen konnte, denn Richenza war sehr daran interessiert, weitere Klöster der Zisterzienser wachsen zu sehen.
Bruder Bernhard hatte ihr zum Abschied eine Kopie des Grundrisses seines Klosters geschenkt. Diese kleine Schriftrolle trug Adelheid wie eine Reliquie bei sich.
Der Winter zeigte sich im Dezember von der milden Seite, es gab zwar beständig leichten Frost, aber kaum Schnee und am Heiligen Abend kam Adele mit einem kleinen Mädchen nieder. Es war eine leichte Geburt und zum Jahreswechsel wurde das Kind, um keine der Großmütter zu benachteiligen, auf den Namen Adelena getauft.
Ende Januar traf ein berittener Bote aus Goslar ein, der Nachrichten von Herzogin Richenza brachte. „Liebe Base“, schrieb sie in klarer und steiler Schrift, „es wird Euch freuen zu hören, dass mein Gemahl den Abt Altfried von Huisburg angemahnt
Weitere Kostenlose Bücher