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Adiós Hemingway

Adiós Hemingway

Titel: Adiós Hemingway Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonardo Padura
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mich zu erinnern meine, tatsächlich passiert sein kann oder nicht.«
    Und er erzählte ihm von seiner Erinnerung an den Tag, als er gesehen hatte, wie Hemingway in der Bucht von Cojimar von Bord der Pilar gegangen war und sich von einem Mann, der eben dieser Ruperto gewesen sein musste, verabschiedet hatte.
    »Ja, das war ich … Er kam gegen Mittag zu mir, ganz überraschend, und als ich ihn sah, wusste ich sofort, dass irgendetwas mit ihm los war. Aber weil ich ihn kannte, hab ich nicht weiter gefragt. Er hat zu mir gesagt, ich soll mich fertig machen, wir würden aufs Meer fahren. ›Soll ich die Angelschnüre und die Köder mitnehmen?‹, hab ich ihn gefragt. ›Nein, Rupert, wir fahren einfach nur aufs Meer.‹ Er hat mich immer ›Rupert‹ genannt und ich ihn ›Papa‹.« Der Alte hob den Arm und zeigte auf eine Stelle in der Bucht. »Da drüben hat die Pilar vorAnker gelegen.«
    El Conde folgte dem ausgestreckten Arm und sah das Meer, den Fluss, ein paar wenige von den Jahren stark mitgenommene Fischerboote. »Wann war das, Ruperto?«
    »Am 24. Juli 1960. Das hab ich mir genau gemerkt, denn am Tag darauf ist er ins Flugzeug gestiegen, und ich hab ihn nie mehr wiedergesehen.«
    »Wusste er, dass er nicht mehr zurückkommen würde?«
    »Ich glaube, ja. Nach dem, was er mir erzählt hat … ›Ich bin am Ende, mit mir ist es aus‹, hat er gesagt, ›und ich habe Angst vor dem, was kommt.‹
    ›Was ist denn los, Papa?‹
    ›Die Ärzte sind dagegen, aber ich fliege nach Spanien. Ich muss Stierkämpfe sehen, um mein Buch beenden zu können. Danach wird man mich in ein Krankenhaus bringen, und was danach passiert, weiß ich nicht …‹
    ›Ein Krankenhaus bedeutet aber nicht das Ende.‹
    ›Kommt drauf an, Rupert. Für mich ja, glaub ich.‹
    ›Fühlst du dich denn so schlecht?‹
    ›Red keinen Scheiß, Rupert! Bist du blind? Siehst du nicht, dass ich immer dünner werde? Dass ich in wenigen Jahren ein alter Mann geworden bin?‹
    ›Wir werden beide alt, Papa.‹
    ›Ich aber schneller.‹ Er lachte auf. Es war ein trauriges Lachen.
    ›Man darf den Ärzten nicht alles glauben, Papa. Ferrer ist Spanier, und alle Spanier sind Esel. Darum sind fast alle Spanier Fischer.‹ Jetzt lachten wir beide, diesmal aus vollem Halse. ›Und wenn du wieder gesund bist, kommst du dann hierher zurück?‹
    ›Ja, klar. Aber wenn nicht, wenn ich nicht gesund werde, dann leg ich schriftlich fest, dass das Schiff dir gehört. Irgendjemand wird kommen und dir das Schiff übergeben. Die einzige Bedingung ist, dass du es nicht verkaufen darfst, so lange du noch einen Peso zum Leben hast. Wenns dir einmal wirklich dreckig geht, dann kannst du es verkaufen.‹
    ›Das will ich nicht, Papa.‹
    ›Aber ich! Ich will, dass niemand sonst dieses Schiff steuert.‹
    ›Wenn das so ist, nehm ichs an.‹
    ›Danke, Rupert.‹«
    »Hat er immer mit Ihnen über seine persönlichen Angelegenheiten gesprochen?«, fragte El Conde.
    »Manchmal, ja.«
    »Hat er Ihnen mal gesagt, dass er Probleme mit dem FBI hatte?«
    »Soweit ich mich erinnern kann, nein. Na ja, doch, einmal … Er war wütend auf die, als wir 42 unsere Suche nach deutschen U-Booten abbrechen mussten. Befehl von ganz oben, hieß es. Aber sonst, nein.«
    »Und wie ging es an jenem Tag weiter?«
    »Wir fuhren hinaus, bis wir in die Strömung kamen, wo er so gerne fischte, und stellten die Motoren ab, und Papa setzte sich aufs Achterdeck und sah aufs Meer. Und dann sagte er zu mir, dass er am Ende sei und dass er Angst habe. Ich bin ein wenig erschrocken, denn Papa war keiner, der Angst hatte. Wahrlich nicht. Nach etwa einer Stunde bat er mich, nach Cojimar zurückzufahren, und ich sah, dass seine Augen gerötet waren. Da hab ich dann wirklich einen Riesenschrecken gekriegt. Ich hatte nicht gedacht, dass ein Mann wie er weinen kann. ›Keine Sorge, ich bin nur ein wenig sentimental geworden‹, sagte er. ›Hab dran gedacht, wie glücklich wir hier gewesen sind, wie wir gefischt und getrunken haben. Vor dreißig Jahren hat Joe Russell mir diese Stelle gezeigt.‹ Als wir in Cojimar gelandet sind, ist dann das passiert, was du gesehen hast«, fuhr der Alte fort. »Wir haben festgemacht, er ist von Bord gegangen, ich auch, und wir haben uns umarmt. ›Pass gut auf dich auf, Rupert.‹ – ›Komm bald zurück, Papa. Im Meer schwimmen noch so viele Fische.‹«
    »Waren Sie überrascht, als Sie gehört haben, dass er sich umgebracht hat?«, fragte El Conde und sah den alten Kapitän

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