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Adler und Engel (German Edition)

Adler und Engel (German Edition)

Titel: Adler und Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juli Zeh
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klein, dass man sich kaum drehen kann, er führt trotzdem von allem etwas. Außer Tabakwaren. Mit der Tasse in der Hand lehne ich mich in den Türrahmen.
    Zigaretten, sage ich.
    Ich dachte immer, sagt er, dass es in Österreich keine Zigaretten im Supermarkt gibt.
    Dieser BILLA, sage ich langsam und überdeutlich, hat vorne drin eine Trafik.
    Wenn ich aushelfen darf, sagt er.
    Er zieht ein ungeöffnetes Päckchen Filterzigaretten aus der Tasche und reicht es mir. Ich reiße die Cellophanhülle ab.
    Kann ich Ihnen ein paar abkaufen, frage ich.
    Behalten Sie alle, sagt er.
    Ich ziehe einen 50-Schilling-Schein aus der Hosentasche, der sich um meine Finger herum zu einer Spirale biegt, er will zurück in Röllchenform. Ich sehe, dass der Alte es bemerkt. In seinem faltigen Gesicht fließt das Lächeln in dafür vorgesehene Bahnen und muss sich nicht wie im Gesicht junger Menschen einen immer neuen Weg suchen.
    Lassen Sie das, sagt er, behalten Sie die Zigaretten. Ich selbst rauche nicht.
    Er ist der zweite Mensch in meinem Leben, der mir Zigaretten anbietet, ohne selbst zu rauchen. Der erste war Clara.
    Vielleicht tun Sie mir zum Ausgleich einen Gefallen?
    Ich drehe mich auf dem Absatz um, leere meine Kaffeetasse im Laden und trete wieder auf die Straße. Der Alte hat seine Reisetasche jetzt auf dem Schoß, holt ein Leckerli nach dem anderen heraus und schiebt es Jacques Chirac ins Maul; offenbar ist er umfassend ausgerüstet. Der Hund erhebt sich nicht, als ich mich zum Gehen wende, ich bin fest entschlossen, ihn nicht ein einziges Mal zu rufen.
    Hören Sie, ruft der Alte, ich suche nur eine bestimmte Gasse.
    Ich bleibe stehen und ärgere mich über meine gute Kinderstube.
    Wie heißt denn die Gasse, frage ich.
    Zu spät wird mir klar, dass er diese Frage schon längst der Ladenbesitzerin hätte stellen können.
    Römergasse, sagt er.
    Ich fahre mir mit beiden Händen ins Gesicht.
    Was haben Sie denn, fragt er.
    Welche Hausnummer?
    Einundzwanzig, sagt er.
    Ich hätte es mir denken können. Seit Wochen schon dreht sich alles, bis ins unwichtigste Detail, auf immergleicher Bahn nur um mich, und jedes Mal wieder reicht mir die Zeit nicht, um mich darauf einzustellen.
    Kommen Sie schon, sage ich leise.
    Als er sich vornüberbeugt, um seine Tasse auf dem Bürgersteig abzustellen, werden die Ränder der Reisetasche auseinander gedrückt und ich sehe im Inneren einen metallisch glänzenden Gegenstand. Untertasse und Löffel klirren auf dem Asphalt, dann richtet er sich auf, sein Kopf ist rot geworden vom Bücken.
    Wo kommen Sie her, frage ich.
    Ich wüsste nicht, was Sie das angeht, antwortet er freundlich.
    Aus Wien sind Sie nicht, sage ich. Aber mit DEM Gepäck sind Sie auch nicht über die EU-Außengrenze gekommen.
    Wie wunderbar, dass Sie so gut informiert sind, sagt er, Informationen sind das Wichtigste auf der Welt. Wichtiger als Geld und Liebe und Zigaretten.
    Wir setzen uns in Bewegung, er ist noch schlechter zu Fuß als ich, nach ein paar Metern nehme ich ihm die Tasche ab. Eine halbe Ewigkeit brauchen wir für die paar Schritte die Gasse hinunter, aber ich habe keine Lust, seine gefleckten Unterarme anzufassen, um ihn zu stützen.
    Er lehnt sich an die Hauswand, während ich aufschließe, und im stockfinsteren Abschnitt zwischen den beiden Toren höre ich seinen Atem laut keuchend hinter mir.
    Gleich, sage ich.
    Wir drängen uns am grünen Ascona vorbei, ich hole den einzigen Stuhl, eine dünnrohrige rostige Metallkonstruktion, aus dem Gebüsch und stelle ihn unter die Kastanie. Der Alte lässt sich hineinfallen.
    Ist das Lisa Müllers Auto, fragt er und zeigt auf den Ascona.
    Es dauert einen Moment, bis ich begreife, dass er Clara meint.
    Sie stellen die wichtigen, ungelösten Fragen gleich zu Anfang, sage ich.
    Das soll heißen, sagt er, Sie wissen es nicht.
    An der Oberfläche, sage ich, sieht es aus, als würde das Auto einem von Lisas Bekannten gehören. Aber ich gewöhne mich gerade daran, dass Oberflächen trügen.
    Ein sehr wichtiger Schritt, sagt er. Wenn Sie ihn hinter sich gebracht haben, können Sie sich der Erkenntnis nähern, dass alle Wahrheit, auf die wir zum Schluss treffen können, eben doch nur in der Oberfläche liegt und der Kern der Dinge leer ist. Aber immer eins nach dem anderen.
    Ich bin kein Philosoph, sage ich, und ich glaube auch nicht an die Philosophie.
    Das macht nichts, sagt er, die Philosophie glaubt auch nicht an Sie.
    Darauf können wir uns einigen, sage ich und halte ihm die Hand

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