Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect
schweigend vor sich hin.
In einem Sturm aus Wind und Lärm fährt der Zug ein. Türen öffnen sich. Während ich mich vom Strom der Wartenden in den Waggon tragen lasse, schwebt Bobby am Rande meines Blickfelds. Die Türen schließen sich automatisch, und der Zug fährt ruckelnd an und beschleunigt. Alles riecht nach feuchter Wolle und abgestandenem Schweiß.
An der Station Warwick Avenue steigt Bobby aus. Es ist dunkel geworden. Schwarze Taxis rauschen vorbei, das Geräusch ihrer Reifen ist lauter als die Motoren. Der Bahnhof ist nur
etwa einhundert Meter vom Grand Union Canal entfernt, etwa zwei Meilen vom Fundort von Catherines Leiche.
Weil in der Gegend weniger Fußgänger unterwegs sind, muss ich mich zurückfallen lassen, sodass ich Bobby nur noch als Silhouette vor mir ausmachen kann. Ich gehe mit gesenktem Kopf und hochgeschlagenem Kragen weiter. Als ich an einem Zementmischer vorbeikomme, taumele ich seitwärts und tapse in eine Pfütze. Mein Gleichgewichtsgefühl lässt mich im Stich.
Wir folgen der Bloomfield Road am Kanal entlang, bis Bobby eine Fußgängerbrücke am Ende der Formosa Street überquert. Im Licht der Scheinwerfer, die eine Kirche anstrahlen, glitzert feiner Nebel. Bobby setzt sich auf eine Parkbank und betrachtet lange die Kirche. Ich lehne mich an einen Baumstamm, meine Füße sind taub vor Kälte.
Was macht er hier? Vielleicht wohnt er in der Nähe. Wer immer Catherine getötet hat, kannte den Kanal gut: Nicht nur von einem Stadtplan oder gelegentlichen Besuchen. Er war mit dem Viertel vertraut. Es war sein Territorium. Er wusste, wo er die Leiche deponieren musste, damit sie nicht zu schnell gefunden wurde. Er ist in seine Umgebung eingetaucht. Niemand hat ihn als Fremden erkannt.
Im Hotel kann Bobby Catherine nicht getroffen haben. Wenn Ruiz seine Arbeit vernünftig gemacht hat, wird er Personal und Gästen Fotos gezeigt haben, und Bobby ist kein Mensch, den man leicht vergisst.
Catherine hatte die Kneipe alleine verlassen. Sie hat bei Freunden in Shepherd’s Bush übernachtet, zu weit entfernt, um zu laufen. Was hat sie gemacht? Nach einem Taxi Ausschau gehalten. Oder sie ist zu Fuß in Richtung U-Bahnhof Westbourne Park losgegangen. Von dort sind es nur drei Stationen bis Shepherd’s Bush. Der Fußweg hätte sie über den Kanal geführt.
Gegenüber ist ein Depot von London Transport. Ständig kommen und fahren Busse. Wen immer sie getroffen hat, er muss auf der Brücke auf sie gewartet haben. Ich hätte Ruiz fragen
sollen, wo sie Catherines Kalender und Handy aus dem Kanal gefischt haben.
Catherine war 1,65 Meter groß und etwa 120 Pfund schwer. Chloroform wirkt erst nach einigen Minuten, aber eine Person von Bobbys Statur und Körperkraft würde kaum Probleme haben, sie zu überwältigen. Sie würde sich gewehrt und geschrien haben. Sie war nicht der Typ, der sich widerstandslos ergibt.
Aber wenn ich Recht habe und er sie kannte, hat er das Chloroform vielleicht gar nicht gebraucht – oder erst als Catherine die Gefahr erkannt und versucht hat zu fliehen.
Was ist dann geschehen? Es ist nicht leicht, einen Körper zu tragen. Vielleicht hat er sie zu dem Treidelpfad gezerrt. Nein, er brauchte ungestörte Privatsphäre, einen Ort, den er vorbereitet hatte. Eine Wohnung oder ein Haus? Nachbarn können neugierig sein. Entlang des Kanals gibt es eine ganze Reihe verfallener Fabrikgebäude. Hat er es riskiert, den Treidelpfad zu nehmen? Manchmal schlafen Obdachlose unter der Brücke oder Pärchen benutzen sie für romantische Rendezvous.
Der Schatten eines schmalen Bootes gleitet an mir vorbei. Das Tuckern des Motors ist so leise, dass ich es kaum höre. Das einzige Licht auf dem Schiff ist am Steuer und wirft einen roten Schein auf das Gesicht des Steuermanns. Ich überlege. An Catherines Po und Haaren hat man Spuren von Öl und Diesel gefunden.
Ich spähe hinter dem Baum hervor. Die Parkbank ist leer. Verdammt! Wo ist er hin? Auf der anderen Seite der Kirche sehe ich eine Gestalt, die sich an dem Geländer entlangbewegt. Ich bin mir nicht sicher, ob es Bobby ist. Mein Verstand will lossprinten, doch meine Beine bleiben zurück, sodass ich mich bilderbuchmäßig auf die Nase lege. Nichts ist gebrochen. Nur mein Stolz ist verletzt.
Ich stolpere weiter und erreiche die Kirche, hinter der das eiserne Geländer eine 90-Grad-Biegung beschreibt. Die Gestalt
folgt weiter dem Pfad, läuft jedoch viel schneller als ich, sodass mir Zweifel kommen, ob ich mithalten kann.
Was macht
Weitere Kostenlose Bücher