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Adrienne Mesurat

Adrienne Mesurat

Titel: Adrienne Mesurat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julien Green
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Besucherin sich an den Türrahmen, als zwinge ein plötzlicher Schwächeanfall sie dazu.
    »Hatten Sie eine angenehme Reise?« fragte sie.
    Ihr Blick war nicht mehr so hart wie vorhin; etwas beinahe Flehendes lag nun in ihm, ein demütiger Ausdruck, als bitte sie inständig, Adrienne möge ihr antworten, ihr die volle Wahrheit sagen.
    »Ja, sicher«, erwiderte Adrienne barsch.
    Marie Maurecourt seufzte. Sie verabschiedeten sich mit einem zweiten Händedruck voneinander.

 
II
     
    Am nächsten Tag, kurz vor dem Mittagessen, meldete das Dienstmädchen Madame Legras.
    »Sagen Sie, ich sei ausgegangen«, befahl Adrienne, die mit ihrem Staubtuch gerade über die Eßzimmermöbel wischte.
    Doch im selben Augenblick kam Madame Legras hereingerauscht. Vom Salon aus hatte sie Adriennes Worte gehört.
    »Ausgegangen!« rief sie. »Mir lassen Sie so etwas sagen?«
    Sie war ganz in Lila gekleidet und trug einen mit weißen Blüten übersäten Hut. Adrienne blickte sie an, ohne zu antworten. Madame Legras wandte sich zu Désirée, die diesen Auftritt beobachtete.
    »Sie können gehen, meine Gute«, sagte sie ungeduldig. »Ich denke, Mademoiselle braucht Sie nicht mehr.«
    Als sie allein waren, setzte sich Adrienne; sie war leichenblaß.
    »Ich wollte Sie nicht sehen«, sagte sie.
    »Das habe ich bemerkt«, zischte Madame Legras.
    Sie trat vor Adrienne, die Hände in die Hüften gestemmt.
    »Hätten Sie die Güte, mir zu erklären, warum?« fragte sie mit blitzenden Augen.
    »Ich wünsche, vollkommen allein zu leben, niemanden mehr zu sehen«, sagte Adrienne.
    Wie einen Peitschenschlag spürte sie den verächtlichen Blick, den ihre ehemalige Freundin ihr zuwarf, und stand auf.
    »Niemanden«, wiederholte sie mit einer schroffen Geste.
    »Das ist keine Antwort.«
    Adrienne zuckte die Schultern.
    »Es muß Ihnen genügen«, sagte sie.
    Madame Legras lief puterrot an und packte das junge Mädchen am Handgelenk.
    »Ach, was«, sagte sie leise, und ihr Gesicht kam ganz nahe an Adrienne heran. »Das ist doch eine windige Ausrede. Haben Sie etwas gegen mich?«
    Adrienne riß sich unwirsch los.
    »Ich schulde Ihnen keine Erklärung«, sagte sie, »lassen Sie mich.«
    Madame Legras schwieg einen Augenblick, dann lachte sie schallend und setzte sich auf einen Stuhl.
    »Mein armes Kind«, sagte sie schließlich mit ihrer gewohnten Stimme, »was ist denn in Sie gefahren? Wenn das ein Scherz sein soll, dann hören Sie lieber gleich damit auf. So können Sie doch unmöglich mit Ihrer besten Freundin sprechen.«
    Mit einemmal fiel sie in den Tonfall maßloser Überraschung, als habe sie die Ungeheuerlichkeit der Situation bis jetzt nicht begriffen.
    »Unmöglich, Adrienne«, sagte sie, »mich empfangen Sie auf diese Weise? Sind Sie denn verrückt geworden? Kommen Sie wieder zu sich. Und vergessen wir das alles…«
    Adrienne stöhnte zornig auf.
    »Noch deutlicher kann ich Ihnen doch wohl nicht sagen, daß ich Sie nicht mehr sehen will, Madame«, sagte sie nach einer Weile.
    »Und ich«, schrie Madame Legras, »kann Ihnen nicht noch deutlicher sagen, daß Sie ein dummes Ding sind. Wenn es auf der Welt einen Menschen gibt, den Sie lieben, achten, jawohl achten müßten, dann mich.«
    »Nein!« erwiderte Adrienne mit erstickter Stimme. »Achtung vor einer Frau wie Ihnen! Das kann nicht Ihr Ernst sein.«
    »Was wollen Sie damit sagen, Adrienne?«
    »Sie wissen genau, was ich sagen will.«
    »Ich weiß nichts, ich verlange eine Erklärung.«
    Adrienne warf ihr einen vernichtenden Blick zu.
    »Na gut«, sagte sie mit gefaßter Stimme, »nehmen Sie zur Kenntnis, daß eine Mesurat ihre Hand nicht einer… einer…«
    »Einer was, meine Gute? Reden Sie schon«, forderte Madame Legras, während sie mit der Stiefelspitze auf das Parkett klopfte.
    »Einer liederlichen Person, Madame!« schleuderte ihr das junge Mädchen entgegen.
    Adrienne stand, am ganzen Körper zitternd, gegen die Anrichte gelehnt, die sie gerade abstaubte, als das Dienstmädchen Madame Legras gemeldet hatte. Hinter ihr blickten die acht Mesurais, Männer und Frauen, wie ein Richterkollegium auf die Szene herab. Mit dem leicht zurückgeworfenen Kopf, den unnachgiebigen Augen glich sie in diesem Augenblick ihnen allen. Einige Zeit verstrich, bevor Madame Legras zu einer Antwort fähig war; offenbar hatte sie bis zur letzten Sekunde nicht geglaubt, ein solches Wort könnte über Adriennes Lippen kommen, und ihr Blick drückte unsagbares Erstaunen aus. Rund um die rot geschminkten

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