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Advocatus Diaboli

Titel: Advocatus Diaboli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou Hanna van Laak
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Schneeballschlachten, Eier, die durchs Dorf gerollt wurden, und Beschäftigungen der Erwachsenen, die sie nachahmten: die Jagd, das Leben der Schäfer, die Ernte, das Waschhaus.
    Die Einwohnerzahl Cantimprés war gestiegen. Es gab nun mehr Kinder als Erwachsene im Dorf.
    Außer in der Familie des kleinen Perrot.
    Esprit-Madeleine und ihr Mann Jerric hatten kein zweites Kind bekommen können. Perrot schlief alleine in seinem Bett und nicht in Gesellschaft von fünf oder sechs Brüdern und Schwestern wie überall sonst. Die Bewohner von Cantimpré hatten seine natürliche Zurückhaltung und seine Melancholie auf diesen Umstand zurückgeführt.
    Doch das war nicht der Grund. Perrot spürte, dass er anders war als seine Spielgefährten.
    Als er sich eines Tages die Zeit damit vertrieben hatte, in den Wolkenhaufen, die über Cantimpré dahinzogen, Tiere zu erkennen, hatte einer seiner Freunde einen Stock ergriffen und den Wolken befohlen, ihre Richtung zu ändern. Einige andere ahmten ihn lachend nach. Als Perrot an der Reihe war, gab auch er Befehle mit dem Stock: die Wolken gehorchten ihm. Er wiederholte das dreimal, immer mit Erfolg. Die anderen Kinder waren zunächst
verdutzt, hielten es dann aber für Zufallstreffer; bald waren sie der Sache überdrüssig und wandten sich einem anderen Spiel zu.
    Manchmal gab er einem Impuls nach und veränderte den üblichen Ablauf eines Spiels, und diese Veränderung hatte ungeahnte Konsequenzen: An Johanni tanzten die Kinder immer um eine verknöcherte Eiche, die als die älteste auf der ganzen Hochebene von Gramat galt. Als Perrot das erste Mal dorthin kam, ging er ein wenig weiter und forderte alle auf, eine zarte kleine Eiche zu umringen, die kaum größer war als er. Im Jahr darauf war die alte Eiche tot, und ihr zarter Nachbar strotzte vor Kraft. Der Baum wurde zum neuen Symbol von Cantimpré, das ihnen Jahrzehnte des Glücks verhieß.
    Perrot hatte vor nichts Angst, weder vor der Nacht noch vor der Leere noch vor der Dunkelheit. Er war das ideale Kind, um die engen Brunnen von Cantimpré zu scheuern. Alle waren von seinem Mut begeistert.
    An einem Wintermorgen stürzte ein kleines Mädchen von einem Dach und brach sich den Knöchel. Perrot rannte los, als er die Schreie hörte. Sowie er bei ihr war, überlief ein seltsamer Schauer machtvoll und unbeirrbar seinen Körper; in diesem Moment begriff er auf unbestimmbare Weise, dass der Bruch des Kindes im Begriff war zu verheilen, dass es dank ihm gesund wurde. Er nahm in aller Schärfe wahr, was ihm widerfuhr: Nicht er selbst bewirkte dieses Erschauern oder diese Heilung, vielmehr bediente sich ein mysteriöser Einfluss seiner Person, um durch ihn zu handeln.
    Freilich erfuhr er an diesem Morgen nicht nur diese Wahrheit über sich selbst: Nachdem das Mädchen unverletzt wieder aufgestanden war, beschuldigte es ihn, er habe es vom Dach gestoßen. Perrot schrie auf und erklärte, das Mädchen lüge, um nicht von seinen Eltern getadelt zu werden, doch niemand glaubte ihm. Man schimpfte ihn aus, und er wurde von seinem Vater Jerric gezüchtigt.

    So hatte er an dem Tag, an dem er die Existenz seiner besonderen Gabe entdeckt hatte, zugleich mit der menschlichen Niedertracht Bekanntschaft gemacht.
    Damals war er vier Jahre alt gewesen.
    Perrot kauerte in seinem Karren, als er spürte, dass der Konvoi zum Stehen kam. Sogleich bemerkte er, dass Até und die Männer geschäftig hin und her liefen, sie mussten in einem neuen Dorf angekommen sein. Perrot konnte nicht sehen, was draußen vor sich ging. Er lauschte. Bald schon waren Frauenstimmen zu vernehmen. Sie klangen zuerst leise, dann fragend, verwandelten sich jedoch alsbald in Schreie. Begleitet vom Geheul der Kinder, von Schwertkämpfen und dem Ächzen verwundeter Männer.
    Perrot begriff, dass die Truppe ein Dorf angriff, wie sie es einige Tage zuvor in Cantimpré getan hatte.
    Er erkannte Atés Stimme, die ihren Männern Befehle zurief. Hütten wurden in Brand gesteckt. Der Qualm erfüllte die Luft und drang auch unter die Abdeckung des Karrens.
    Der Überfall zog sich in die Länge.
    Aufrufe zum Widerstand waren zu hören, lange Scharmützel wurden ausgefochten, dann sammelten sich die schwarzen Räuber, als sie entdeckten, dass einer der ihren getötet worden war.
    Perrot erinnerte sich, dass die Männer in Cantimpré nur wenige Minuten geblieben waren …!
    Hier dauerten die Kämpfe länger und wurden immer blutiger.
    Plötzlich teilte sich die Plane am hinteren Ende des

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