Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte
Minderheit, können Shorts tragen. Die anderen nicht. Ich gehörte schon immer zur zweiten Sorte mit meinen bleichen, dünnen Extremitäten. Heute bin ich auch am Strand nicht darauf erpicht, meine Oberschenkel zu entblößen. Ich hätte nichts dagegen, wie im 19 .Jahrhundert mit einem Badewagen direkt ans Wasser gefahren zu werden, um dann im Badekleid würdevoll in die Fluten zu schreiten.
Problemzonengymnastik für Verliererinnen
Wir starten. Theresa und ich laufen gleichzeitig durch die elektronische Schranke. Möchte nicht wissen, welche Strahlen durch uns durchgehen für die digitale Zeitmessung.
»Laufen macht Spaß bei dem Wetter«, sagt Theresa und strahlt. Sie joggt locker voran, hat offenbar doch fleißig trainiert. »Es ist gut für die Seele, wenn es vorwärtsgeht«, meint sie. »Besser als Problemzonengymnastik.«
Problemzonengymnastik– das ist etwas für Verliererinnen. Bauch, Beine, Po sind die Kriegsschauplätze der Frau im Kampf mit sich selbst. Auch ich habe mich im Fitnesscenter vor 15 Jahren noch in »Beinpressen« eingespannt, um die Pomuskeln zu trainieren. Ganz zu schweigen von den unzähligen Sit-ups gegen die Fettrolle am Bauch. Ich klappte, auf dem Boden sitzend, schnaufend meinen Oberkörper hoch und runter, als wäre ich ein Feldbett.
Mit dem Quatsch hörte ich Mitte 40 auf, als ich begriff, dass die kausale Kette »Mehr Sport bedeutet mehr Attraktivität, mehr Attraktivität bedeutet mehr Aufmerksamkeit, mehr Liebe und damit mehr Glück« nur in meiner Phantasie existierte– und in der von Millionen anderer Frauen.
Der Umwelt ist es völlig egal, ob man die Beinchen oder den Oberkörper hundertm al in der Woche hebt. Mal abgesehen davon, dass man durch dieses Herumgeturne den Körper nicht wirklich formen kann, auch wenn vom »Body Shaping« die Rede ist. Das Fett in den »Problemzonen« schmilzt nur, wenn man insgesamt abnimmt. Leider gibt es beim Abnehmen aber eine ungünstige Reihenfolge: Das Gesicht kommt als Erstes dran. Was zur Folge hat, dass man in späten Jahren durch Kalorienverzicht und Ausdauersport schnell wie ein verhärmter Vogel aussieht. Die gute Laune bleibt dabei auf der Strecke.
Beim Frühlingslauf ziehen einige Läufer, die nach uns gestartet sind, jetzt flott an uns vorbei. Es sind wahrscheinlich Supertrainierte, die rennen bestimmt auch Marathon. Für diese Männer ist das hier ein Klacks, die laufen die zehn Kilometer zur Übung. Vielleicht haben diese Typen keinen anderen Lebensinhalt als das Joggen.
»Durchtrainierte Männer sind nicht unbedingt sexy«, sage ich zu Theresa. »Wenigstens sind das hier keine Mountainbiker«, gibt sie zurück. »Mountainbiker sind am schlimmsten.« Da ist was dran. Bei meiner Fahrradtour mit Christoph in Bayern zum Kloster Andechs hinauf war mir der Weg zu steil, also schob ich das Rad. Nicht so die Mountainbiker mit ihren aerodynamischen Helmen, die mit ihren muskulösen Beinen in quälendem Zeitlupentempo in die Pedale traten, nur um nicht absteigen zu müssen. Es sah aus wie die Selbstkasteiung auf einer Pilgertour. Hätte nur noch gefehlt, dass sich die Männer schwere Kreuze auf die Rücken luden, um ihre Leidensbereitschaft noch mehr zur Schau zu stellen. Es war ein gutes Gefühl, sich beim Fahrradschieben geistig überlegen zu fühlen. Doch mit mentaler Überlegenheit allein schaffe ich heute keine fünf Kilometer, erst recht nicht in meinem untrainierten Zustand.
Theresa ist davongezogen und hat mir leichthin »Ich mach mal schneller« zugerufen. Typisch Theresa, am Anfang so zu tun, als sei sie schlecht in Form. Und dann läuft es doch prima. Wahrscheinlich tröstet sie mich nachher, das Wichtigste sei doch, dabei gewesen zu sein.
Ich spüre meine linke Ferse. Vielleicht war es fatal, dass ich vor einiger Zeit in der Küche ungeschickt von einem Stuhl gesprungen bin, nachdem ich die große Vase oben auf dem Schrank deponiert hatte. Hat meiner Fußsohle nicht gefallen. Dabei bin ich früher, ganz früher, dauernd von irgendwas heruntergesprungen, ohne Spätfolgen. Heute wäre es eine Mutprobe, ein Rad zu schlagen. Als ich das zuletzt mit 50 versucht habe, hatte ich danach ein merkwürdiges Ohrensausen.
Zwei junge Läuferinnen in kurzen Hosen über knackigen Beinen ziehen an mir vorbei. Bestimmt machen sie die 10 -Kilometer-Strecke. Offenbar reicht das Atemvolumen der beiden aus, um sich noch locker miteinander zu unterhalten und zu lachen. Ich höre das Wort »Babymarathon«.
Mein Gewicht belastet die Gelenke
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