Äon
»Darüber ist noch keine Entscheidung gefallen.«
»Wird man sie anständig behandeln, die Amerikaner und anderen?« wollte Farley wissen.
»Ich kann garantieren, daß ihnen nichts getan wird«, versicherte Olmy.
»Ist abzusehen, wann wir mit ihnen in Verbindung treten können?« fragte Lanier.
Olmy verschränkte die Finger vor der Brust und sagte nichts.
»Nun?«
»Wie gesagt, die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Die Frage muß also offen bleiben.«
»Wir möchten sofort informiert werden, sobald Näheres vorliegt«, forderte Lanier.
»Selbstverständlich«, versprach Olmy. »Ihr seid hier abgeschirmt worden. Da ihr kein Geheimnis mehr seid, wird sich das etwas ändern. Ihr wißt, daß ihr aller Voraussicht nach sehr populär werdet; es werden Festakte und Tourneen stattfinden. Es wird vermutlich anstrengend für euch werden.«
»Sicher«, meinte Lanier skeptisch. »So, und jetzt – nur zwischen uns sieben, falls niemand über eure Schultern lugt, wie ihr vorgebt – möchte ich mal wissen, was euer Einsatz dabei ist?«
Olmy gab zur Antwort: »Es dürfte uns allen klar sein, daß es verfrüht wäre, völlig offen miteinander zu sein. Auch wenn es frustrierend ist, so könnt ihr das einfach nicht ermessen, und wollt’ ich’s erklären, würde ich euch nur noch mehr verwirren. Ich werde es erklären, aber zuerst müßt ihr mit unserer Stadt, mit unserer Kultur Bekanntschaft schließen. Da ihr nun freien Zugang zum Datenservice habt…«
»Relativ freien Zugang«, korrigierte Lanier.
»Ja, risikolosen Zugang… werdet ihr also die nächsten vierundzwanzig Stunden erst mal >nachsitzen< wollen, wenn man so sagen kann.«
»Unterliegen wir weiteren Einschränkungen?«
»Ja«, erwiderte Olmy. »Ihr könnt eure Unterkünfte nicht verlassen, bis der Zeitplan festgelegt ist und der Nexus euer… nennen wir’s >Debüt< arrangiert hat. Bis dahin empfehlen wir, euch mit Axis City vertraut zu machen und unseren Lebensstil zumindest in Grundzügen kennenzulernen.«
Er sah von Gesicht zu Gesicht und forderte mit hochgezogenen Brauen zu weiteren Fragen auf; es wurden keine mehr gestellt. Lanier verschränkte die Hände im Nacken und lehnte sich auf dem Sofa zurück.
Ram Kikura programmierte die Piktoren von ihrem Platz aus. »Nun habt ihr einen Pädagogen, der auf meiner Persönlichkeit basiert«, stellte sie fest. »Datenservice und Pädagoge sind von jedem Raum aus abrufbar. Es wäre am besten, mit der Beschreibung von Stadt und Weg zu beginnen… Einverstanden?«
Die sieben verfolgten still, wie die Axis City in hypnotischen Einzelheiten vor ihnen auftauchte. Sie schienen sich der Stadt von Norden entlang des Defekts – der Singularität – durch mehrere dunkle Schilde zu nähern.
Dann kam die Wand des Wegs ins Bild, und wenige hundert Meter unter ihnen floß der Verkehr. Heineman wurde zappelig beim Anblick der dahinflitzenden Zylinder auf den verflochtenen Strängen. Jeder Zylinder trug vorne einen hellen Scheinwerfer und seitlich drei beleuchtete Streifen. In der Ferne tat sich ein vier Kilometer breites Tor auf, in das Tausende von Zylindern aus allen Richtungen verschwanden. (Eine Einblendung führte ihnen ein Gewirr von vielstöckigen Ladehöfen vor, wo die Zylinder verteilt und zum Be- oder Entladen in Hallen gefahren und die Güter zum Weitertransport ins Tor auf Container verladen wurden. Das eigentliche Tor war viel breiter als diejenigen, denen sie bislang begegnet waren: eine abgestufte Öffnung von wenigstens zwei Kilometern Breite, die an einen Grubenschacht erinnerte, aber viel gleichmäßiger war und voller Maschinerie steckte.)
Die Axis City war aus jeder Perspektive atemberaubend, aber in Bodennähe geradezu überwältigend. Der Piktor setzte die nördlichsten Stadtteile ins Bild und erklärte deren Funktion, woraufhin ein Schwenk nach Süden folgte.
Der südlichste Bereich der Stadt hatte die Form eines breiten Malteserkreuzes, das sich zwischen zwei auf dem Defekt montierten Würfeln spannte. Die Mitte des Kreuzes nahm den Defekt auf, der dann durch die Würfel hindurchlief. Hier saß die Maschinerie, die als Antrieb und Steuersystem der Stadt entlang der Singularität diente. Die gleiche Kraft, die Stadt und Röhrengleiter am Defekt entlangbewegen konnte, lieferte zugleich einen Großteil des städtischen Energiebedarfs. Generatoren in den Würfeln wurden angetrieben von Turbinen, deren »Schaufeln« sich mit der Singularität überschnitten und somit einer räumlichen
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