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Äon

Äon

Titel: Äon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Persönlichkeitsprofil des durchschnittlichen Schelms. Die meisten von ihnen waren geboren worden im letzten Stadium der Konstruktion der City Memory, was in Thistledown City noch vor dem Bau des Wegs begonnen worden war und über fünf Jahrhunderte beansprucht hatte.
    Eine Reihe von Bürgern, vor allem die jungen, hatten sich die Möglichkeit geschaffen, Schlupflöcher aufzutun und dem Vollzug der höchsten Strafe – Recycling des Körpers und Inaktivierung der gespeicherten Persönlichkeit – zu umgehen. Die beliebteste Methode war die Anfertigung eines Persönlichkeitsdoppels, das im Speicher inaktiv bliebe; falls der Betroffene die Höchststrafe bekäme, würde das Persönlichkeitsdoppel aktiviert, womit die Fortdauer gewährt wäre.
    Diese »Schelme« nun hatten sich auf alle möglichen Verbrechen eingelassen und zuweilen Gewalttaten vollbracht, wie sie seit dem Ausstoß der Naderiten von Alexandria in Axis City nicht mehr vorgekommen waren. Die meisten wurden geschnappt, vor Gericht gestellt und verurteilt; das Urteil wurde vollzogen. Damit nun gelangte eine Reihe relativ gefährlicher Persönlichkeiten ins Stadtgedächtnis. Im Laufe der Zeit konnten Hexamon-Agenten den einen oder andern Schelm davon überzeugen, daß der schönste Zeitvertreib das Duellieren sei, das Aufspüren und Ausschalten anderer Schelme. Damit war viel geholfen. Das Duellieren machte Schule, und binnen eines Jahrzehnts war die Hälfte der Schelme von seinesgleichen ausgeschaltet worden.
    Freilich hatten einige überlebt – die raffiniertesten, einfallsreichsten und somit letztendlich auch gefährlichsten.
    In den jüngsten Jahrzehnten war eins der dringlichsten Probleme des Nexus, die City Memory für alle Bürger sicher zu machen, wobei jedoch keine großen Fortschritte erzielt wurden aufgrund des überall noch anhaftenden Widerstands.
    Das Anheuern eines Schelms war immer riskant, wie Olmy wußte. Der Auftraggeber konnte nicht mit Loyalität rechnen, da ein Schelm nur so lange loyal blieb, wie es vorteilhaft für ihn war.
    In diesem Sinne belohnte Olmy den Schelm reichlich mit dem Zugang zu verschiedenen privaten Datenbanken, wobei er doppelt und dreifach sicherstellte, daß niemand – vor allem der Schelm nicht – den Auftraggeber enttarnen konnte.

 
53. Kapitel
     
    In der dunklen Bibliothek wurde es allmählich heller, so daß die Augen Zeit zur Anpassung hatten. Pawel Mirski stand blinzelnd auf einer Seite der Stuhlreihen mit den Chromkügelchen.
    Impulsiv schaute er sich zunächst um, was für einen Schaden Vielgorski mit seiner Ballerei angerichtet hatte. Es war nichts zu sehen. Alle Kugeln waren intakt. Mirski führte die Hand an die Seite seines Kopfes und betastete dann Nase und Kinn. Keinerlei Narben. In seinem Kopf sagte ihm ein kleines Signal unaufdringlich, daß er gerade von hinzugefügten Gehirnteilen Gebrauch mache.
    Er ging hin und her, wobei er eine beinahe unangenehme Unerfahrenheit hinter den Augen empfand. Er spazierte um die Stuhlreihen und näherte sich der schwarzen Wand, die nach wie vor geschlossen war. Stirnrunzelnd rief er: »Hallo!« Niemand antwortete. »Hallo! Ist denn da niemand?«
    Vielleicht haben die anderen nach seiner Erschießung die Bibliothek verlassen. Aber er erinnerte sich an den weißen, wallenden Nebel – und die drei Offiziere mit zurückgeworfenem Kopf und aufgesperrtem Mund.
    »Pogodin!« rief er. »Pogodin, wo bist du?«
    Wieder keine Antwort. Er ging zum schmalen Gang, der zur Überwachungskabine führte. Die Tür war offen. Er stieg die Treppe hinauf und trat in die Kabine.
    Pogodin hatte sich auf drei Stühlen ausgestreckt und schlief, gleichmäßig atmend. Mirski rüttelte ihn behutsam wach. »Pogodin«, sagte er. »Zeit zum Gehen.«
    Pogodin schlug die Augen auf und sah Mirski verblüfft an. »Sie haben dich erschossen«, sagte er. »Der Schuß hat dir den halben Schädel weggerissen. Ich hab’s gesehen.«
    »Du hast geträumt«, sagte Mirski, »komisches Zeug geträumt. Hast du gesehen, was mit Vielgorski, Belozerski und Jazikow passiert ist?«
    »Nein«, antwortete Pogodin. »Da war überall dieser Nebel, der juckende. Und nun auch das noch.« Er setzte sich mit aufgerissenen Augen auf; seine Lippen zitterten. »Ich will raus hier!«
    »Gute Idee. Sehn wir mal nach, was überhaupt los ist.« Mirski ging Pogodin voraus die Treppe hinunter zur schwarzen Wand. »Auf!« sagte er.
    Die halbmondförmige Tür schob sich wie eine Blende lautlos auf.
    Annenkowski stand mit dem

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