Äon
Rücken zur Tür und zu Mirski vor versammelter Mannschaft auf dem Vorplatz.
»Entschuldigung, Major«, sagte Mirski. Annenkowski fuhr zusammen, wirbelte auf dem Absatz herum und riß das Gewehr hoch. »So passen Sie doch auf«, warnte Mirski.
»Genosse Oberst… ich meine… General…«
»Wo sind die anderen?« fragte Mirski mit einem Blick auf die angetretene Truppe.
»Welche anderen?«
»Die politischen Offiziere.«
»Die sind noch nicht herausgekommen. Entschuldigen Sie, General, aber wir müssen sofort in unser Lager, müssen rüberfunken, müssen…«
»Wie lange war ich weg?«
»Neun Tage, General.«
»Wer führt’s Kommando?« fragte Mirski, hinter dem nun Pogodin erschien.
»Im Moment Major Garabedian und Oberstleutnant Pletnew, Genosse.«
»Dann bringt mich zu ihnen! Was suchen die NATO-Truppen hier?«
»Genosse…« Annenkowski schien einer Ohnmacht nahe zu sein. »Es hat viel Aufregung gegeben hier. Niemand wußte, was da drinnen passiert war. Was ist denn passiert?«
»Gute Frage«, erwiderte Mirski. »Vielleicht finden wir das noch raus. Mir geht’s jedenfalls gut. Pogodin auch. Und jetzt müssen wir ins Lager… in der vierten Kammer?«
»Jawohl.«
»Dann gehen wir! Warum sind denn unsere Männer hier stationiert?«
»Haben auf Sie gewartet, Genosse General.«
»So, dann sollen sie uns begleiten.«
»Jawohl.«
Im Zug schloß Mirski die Augen und lehnte den Kopf zurück. Ich bin tot, dachte er. Ich spür’s – Teile von mir fehlen, sind ersetzt. Das heißt, ich bin ein anderer Mensch; ich bin tot und wieder zum Leben erwacht. Ein anderer, neuer Mensch – aber mit den alten Pflichten.
Er öffnete die Augen und blickte zu Annenkowski. Der Major sah ihn mit beinahe ängstlicher Miene an, die er rasch durch ein scheues Lächeln ersetzte.
54. Kapitel
»Also fassen wir zusammen«, sagte Lanier. Sie hatten sich wiederum in Patricias Wohnung versammelt, um ihre Geschichte vom Schelm zu hören und sich auf eine gemeinsame Marschrichtung zu einigen. »Wir sind Gäste – bis zu einem gewissen Grad. Wir werden abgeschirmt, was bedeutet, wir sind praktisch auch Gefangene.«
»Unser Datenservice wird zensiert«, bemerkte Farley.
»Wir können nicht zum Stein zurück«, betonte Heineman.
»Und wir werden – falls Patricia recht hat – Berühmtheiten hier«, meinte Carrolson.
»Hat der Schelm gesagt, ob damit gerechnet worden ist, daß der Stein zur Erde zurückfinde?« erkundigte sich Lanier.
»Nein«, erwiderte Patricia. »Das glaube ich nicht. Falls ich mich nicht täusche, gingen sie davon aus, daß der Stein – aufgrund seiner bescheidenen Größe unbemerkt – seine Reise durchs All ziel- und endlos fortsetzen würde nach dem Davonschnellen bei Öffnung des Korridors.«
»Wie stehen wir also dazu? Larry? Leonore?«
»Was spielt unsere Haltung schon für eine Rolle? Was können wir schon tun?« fragte Heineman mit ausgebreiteten Armen.
»Überleg mal, Larry!« entgegnete Carrolson und legte ihm die Hand aufs Knie. »Wir sind VIPs. Sie können unsere Wünsche nicht einfach ignorieren.«
»O nein!« sagte Heineman. »Aber sie können uns ‘ne Gehirnwäsche verpassen. Manche von ihnen haben mit Menschen sowieso nichts mehr gemeinsam.«
»Es sind aber Menschen«, konterte Patricia. »Auch wenn sie wählen können, welche Erscheinung und welche Talente sie haben möchten, so bleiben sie dennoch unsere Nachfahren.«
»Herrgott«, sagte Heineman kopfschüttelnd. »Kapier’ ich echt nicht.«
»Ach was«, meinte Carrolson hartnäckig. »Wenn ich’s kapiere, kannst du’s auch kapiern!« Sie kniff ihn ins Knie.
»Wenn wir an einem Strick ziehen, können wir mehr für uns rausschlagen«, sagte Lanier. »Als Berühmtheiten oder auch Kuriosum könnten wir maßgeblich beeinflussen, wie mit uns – und letztendlich auch mit unseren Leuten auf dem Stein – verfahren wird.«
»Was wollen wir überhaupt fordern?« fragte Carrolson.
»Als erstes verlangen wir, daß die Zensur unseres Datenservice aufgehoben wird«, schlug Patricia vor.
»Ich hab’ den meinen noch nicht mal in Gebrauch genommen«, gab Heineman zu.
»Wir wollen nichts unversucht lassen, um die Erlaubnis zu bekommen, mit dem Stein in Verbindung zu treten.« Lanier sah sich in der Runde um. »Sind wir uns in diesem Punkt einig?«
Das waren sie.
»Wir verlangen, als Gruppe zu reisen; wir lassen uns nicht trennen«, führte er aus. »Falls doch, streiken wir.«
»Hungerstreik?« meinte Farley.
»Was auch
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