Äon
Amerikanerin, sehen wir selten. Sie ist einem Erkundungstrupp zugeteilt; eine einzigartige, sehr begehrte Stellung, obwohl sie meines Erachtens eher als eine Art Maskottchen fungiert, aber ich kann mich auch irren. Die Implantate können Wunder wirken.
Ich bin nie ein Intellektueller gewesen. Philosophie langweilte mich; die Frage nach dem Sinn und Sein des Lebens interessierte mich nicht. Ich hatte keine Phantasie, kein ausdauerndes Vorstellungsvermögen. Mit den Implantaten hat sich all das geändert. Ich bin ein gutes Stück weitergekommen auf dem Weg, ein anderer Mensch zu werden.
Wir haben eine beträchtliche Strecke zurückgelegt seit der Beschleunigung auf beinahe Lichtgeschwindigkeit. Ich glaube nicht, daß man mit dem, was jetzt vor sich geht, gerechnet hat. Der Weg ist so kompliziert; nicht mal seine Schöpfer konnten ahnen, was er an Möglichkeiten birgt.
Wir reisen nun durch einen »Weg«, dessen lokale Natur gewandelt worden ist von der Gewalt unserer Passage bei fast Lichtgeschwindigkeit. Er hat keinen Durchmesser und an sich keine Ränder mehr; Objekte, die eine Masse besitzen, können einfach nicht existieren jenseits einer Entfernung von mehr als zwanzigtausend Kilometern vom Kurs, den wir fliegen. (Der Defekt – Singularität – ist vor drei Monaten verschwunden; hat sich einfach aufgelöst in einen Impuls neugeschaffener Partikel, von denen manche sogar den Geshel unbekannt sind.)
Wir haben den Bereich der Superserie äußerer Universen, die alle unsere diversen Weltlinien umfaßt hat, überschritten. Selbst wenn wir nun anhielten und Tore nach »draußen« (was immer das sein mag) öffneten, würden wir auf Gebiete ohne Materie und vielleicht ohne Form oder Ordnung stoßen; es ist sehr zweifelhaft, daß wir irgend etwas Vertrautes entdecken würden.
Es gibt eine unendliche Vielzahl von Alternativen zum Weg, die jeweils in einer alternativen Weltlinie ihren Anfang nehmen, diese Weltlinie allerdings übersteigen. Bisher ist es den Wegforschern verborgen geblieben, wie die Alternativwege gestapelt oder verschachtelt sind, oder ob sie überhaupt als real anzusehen sind. Da der Weg eine ganze Reihe von alternativen Weltlinien – vielleicht alle – kreuzt, stellt sich die Frage, ob es mehr als einen Weg gibt?
Aber indem wir mit beinahe Lichtgeschwindigkeit durch den Weg fahren, haben wir darauf Antworten gefunden und sind auf neue Fragen gestoßen. Wir haben die Weg-Geometrie in den erforderlichen vier Dimensionen verzerrt; zugleich haben wir die fünfte Dimension kontrahiert und damit die Alternativwege zusammengezogen. Die Wegränder sind transparent geworden in einem breiten Spektrum von Frequenzen, so daß wir die Umrisse anderer Wege wahrnehmen können. Wir können uns aussuchen, welchen Weg wir inspizieren wollen, indem wir ein Gerät benutzen, das dem toröffnenden Klavikel ähnlich ist. Die Erkundung dieser neuen Wege ist nun das Arbeitsgebiet von Beryl Wallace.
Wir können sogar Wesen anderer Wege sehen und zuweilen mit ihnen in Kontakt treten.
Es gibt also unendlich viele Weltlinien und dank dieses einzigartigen menschlichen Artefakts unendlich viele Verbindungen dazwischen. Unsere Forscher suchen nun Möglichkeiten, auf andere Wege, andere Superserien von Weltlinien, überzuwechseln, aber selbst mit Implantaten habe ich Mühe, diese Problematik zu begreifen.
So viel weiß ich allerdings: Es gibt Wege, wo die Wesen von abertausend völlig verschiedenen Universen Handel treiben, wobei sie in den meisten Fällen nur Informationen austauschen, in anderen hingegen tatsächlich mit diversen Arten von Raum-Zeit handeln. Wäre nicht ein Potential denkbar zwischen zwei unterschiedlich gearteten Universen? Ließe sich dieses Potential ab Energie bezeichnen?
Rimskaya hat trotz seiner Verbitterung seine Arbeit fortgesetzt und sogar manch wertvollen Forschungsbeitrag geleistet. Er glaubt, eine Definition für Information gefunden zu haben: Das Potential, das zwischen allen zeitlichen Dimensionen (beispielsweise Zeit selbst und die fünfte Dimension, die Weltlinien trennt) und räumlichen Dimensionen besteht. Immer wenn Raum und Zeit verknüpft werden, gibt es Information, und wo Information zu Wissen geordnet und das Wissen angewandt werden kann, gibt es Intelligenz.
Damit keiner, der diese Tagebuchaufzeichnung eines einfachen Mannes liest, auf den Gedanken komme, wir würden nur ‘ abstrakten Dingen nachjagen, will ich ergänzen, daß ich derzeit die Freuden entdecke, die dem verfügbar
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