Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Äon

Äon

Titel: Äon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
vierzig Prozent aller Geschosse ausschalten können.
    Nicht genug, nicht genug…
    Und wie viele Kinder, wie viele Tiere, wie viele Unschuldige und…
    Aber keiner, so pflegte Lenore zu kontern, der mit einem Mund und Bedürfnis geboren wird, ist unschuldig…
    Sie hatte natürlich häufig recht.
    Die Herren, denen er diente, waren nicht perfekt und schon gar keine Engel. Sie waren intelligent, mächtig, vernünftig; ihren Führern fehlte die Ignoranz und blindwütige Verbissenheit irdischer Führer. Aber sie hatten dennoch unterschiedliche Ansichten, die gelegentlich heftig ausgetragen wurden.
    So flog Heineman also mit seiner Frau den Globus ab und kartographierte die Schäden und hoffte auf den Tag, wo wieder Gras sprießen und Blumen blühen, wo der Schnee zurückgehen und die Luft unverstrahlt sein würde. Er arbeitete hart auf diesen Tag hin.
    Und er war seinen neuen Herren treu, denn er wurde in mehr als einer Hinsicht wiedergeboren. An seinem ersten Tag auf der Erde hatte er einen tödlichen Herzinfarkt erlitten.
    Larry Heineman war im zweiten Körper. Lenore versicherte ihm, der sei besser als der erste.
    Er hatte zwar seine Bedenken, aber er gab auf alle Fälle ein besseres Gefühl.
     
    Abenddämmerung in Neuseeland nach einem spektakulären Sonnenuntergang. Am Himmel ging klar und unverhüllt die große Thistledown auf, während nahebei Axis Thoreau und Axis Euclid als winziger Punkt in die entgegengesetzte Himmelsrichtung zogen.
    Garry Lanier kam aus dem Talsitzelt und sah Karen Lanier im Gespräch mit einigen Bauern am Campzaun. Die Bauern hatten ihre Kinder vor zwei Wochen zur Talsitreinigung ins Camp gebracht; wenigstens diese würden keine Mißgeburten auf die Welt bringen oder an langfristigen Verstrahlungsfolgen leiden. Die Erwachsenen hingegen waren noch sehr mißtrauisch; die ersten Gerüchte von der Invasion fremdartiger Lebewesen und von Teufeln, die scharenweise vom Himmel fielen, hatten in den Nachwehen des Weltuntergangs recht glaubhaft gewirkt. Karens sichtbare Schwangerschaft im sechsten Monat trug viel dazu bei, die Leute zu überzeugen, daß sie es mit echten Menschen zu tun hatten.
    Lanier hatte noch keinem Überlebenden auf der Erde seine Geschichte erzählt. Wer würde eine so unglaubliche und komplizierte Sache begreifen, wenn man hauptsächlich aufs nackte Überleben und die Gesundheit seiner Kinder, seiner Schafe oder Siedlung bedacht war?
    Da stand er nun, die Hände in den Taschen des Overalls, und beobachtete, wie Karen ruhig mit den Schäfern sprach. Seit der Rückkehr zur Erde hatten sie zusammen gelebt und gearbeitet und vor zwei Jahren schließlich geheiratet. Ihr Leben war arbeitsreich, und sie paßten gut zusammen, aber…
    Er war noch nicht zufrieden, noch nicht frei von den vielfältigen Neurosen, die er sich in den letzten zehn Jahren geholt hatte. Zumindest heilten die mentalen Wunden allmählich, vernarbten und verschwanden vielleicht ganz.
    Lanier nahm nur physische Talsitsitzungen, um seinen Körper zu reinigen; sie waren wenigstens in halbjährlichen Abständen durchzuführen, um eine schädliche Wirkung der verstrahlten Atmosphäre zu verhindern. Er unterzog sich keinem mentalen Talsit, so sehr Olmy ihn auch bedrängte; er war schließlich ein robuster Individualist und würde solche Dinge lieber allein bewältigen.
    In wenigen Monaten wollten sich er und Karen – falls sie hier abgelöst werden könnten – Hoffman und Olmy und vielleicht sogar Larry und Lenore anschließen. Sie würden ihre vorübergehenden Implantate mit neuem Wissen füttern und mit Rosen Gardner, dem Corprep der Erde, und Prescient Oyu, dem Senator der Erde, an der gewaltigen Aufgabe der Reinigung der Atmosphäre und Neuorganisation der Überlebenden arbeiten.
    Paradoxerweise wären die Naderiten bald mit den Anfängen der eigenen Weltanschauung konfrontiert, die derzeit in Gebieten, die der Wiederaufbau noch nicht erfaßt hatte, viele Anhänger fand.
    Lanier dachte nur noch selten an den Weg oder das, was sich vor Jahren zugetragen hatte. Er war zu sehr mit unmittelbaren Problemen beschäftigt.
    Aber hin und wieder schloß er kurz die Augen und schlug sie wieder auf und wandte sich an Karen. Und wenn er dann ihr strahlendes Lächeln sah, streichelte er ihr Haar.
    Es hat keinen Sinn, sich um die zu sorgen, die weiter weg sind als die Seelen der Toten.

 
ZWEI
Reisejahr 1181
     
    Olmy stand auf der öffentlichen Aussichtsplattform der Axis Euclid; die Hände auf dem Rücken verschränkt,

Weitere Kostenlose Bücher