Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Äon

Äon

Titel: Äon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
hinteren Teil des Raums, wo ihm eine Frau am Projektor durch Nicken ihre Bereitschaft bekundete, trat ans Pult und zückte einen ausziehbaren Zeigestock aus Metall. »Das gesamte archäologische Team und einige Soziologen haben an diesem Bericht gearbeitet. Dr. Jacob fühlt sich nicht wohl, so daß es beim Knobeln halt mich erwischt hat.«
    Im Publikum wurde gelacht. »Jacob hält keine Reden«, bemerkte Takahashi. »Sehr schüchtern. Treibt sich lieber in verlassenen Ruinen herum.«
    »Es ist schon immer ein Rätsel, das Nebeneinander der Stadt Alexandria in der zweiten und der ungleich fortschrittlicheren Stadt Thistledown in der dritten Kammer. Irgendwann hat sich jeder diese Frage gestellt: Warum beließen die Steinbewohner Alexandria in altem Zustand, anstatt es umzubauen und zu modernisieren? Sicherlich würden Menschen mit unserer modernen Einstellung sich nicht wohl fühlen in einer vergleichsweise primitiven Umgebung, die durch relativ geringen Aufwand auf den neuesten Stand hätte gebracht werden können.
    Wir wissen inzwischen recht viel über die Lebensbedingungen in Alexandria, aber wesentlich weniger über das Leben in der Stadt Thistledown. Wie allen bekannt ist, herrschen in Thistledown strengste Sicherheitsmaßnahmen – steineigene Sicherheitsmaßnahmen. Wenn wir davon absehen, große Schäden anzurichten und gewaltsam einzudringen, so bleibt uns nur eine Stelle, wo wir Zutritt zu einer Wohnung haben. Alexandria ist zugänglicher und in mancher Hinsicht freundlicher, wenn ich mir dieses ganz und gar unanthropologische Urteil erlauben darf.
    Alle hier haben Status zwei, wissen also, daß die Steinbewohner Menschen waren und von einer der unsrigen erstaunlich ähnlichen Kultur kamen. Tja, sie kommen von einer künftigen Version der Erde. Wir wissen, daß es einmal zwei wichtige soziale Gruppen gegeben hat: die Geshel oder technisch und wissenschaftlich Orientierten und die Naderiten. Da stellt sich die Frage, wer das alles Ralph sagen soll.«
    Müdes Gelächter vom Publikum. »Alter Witz«, flüsterte Takahashi Patricia zu.
    »Wir wissen jetzt, daß Alexandria vor dem Auszug der Steinler hauptsächlich von orthodoxen Naderiten bewohnt worden ist. Diese schienen an Stil und Technik des zwanzigsten Jahrhunderts festzuhalten.«
    Patricia erkannte ziemlich verdutzt, daß von diesen Leuten niemand außer Rimskaya, Takahashi und sie selbst den Grund dafür kannte, warum diese Einteilung wichtig war.
    »In dieser Hinsicht glichen sie der Amish-Sekte. [xi] Und wie die Amish-Sekte machten sie Zugeständnisse – beispielsweise die Megas und andere architektonische Neuheiten. Aber ihr Ziel war klar; sie beschlossen die Erhaltung von Alexandria und lehnten den fortschrittlicheren Stil von Thistledown ab. Wir sind nicht sicher, wann dieser Bruch zwischen den orthodoxen Naderiten und den liberaleren Geshel sich vollzogen hat – jedenfalls erst zu einem späteren Zeitpunkt der Reise.
    Wir können inzwischen davon ausgehen, daß die Stadt Thistledown ein Jahrhundert vor Alexandria evakuiert und gesperrt worden ist. In anderen Worten, der Auszug vollzog sich in der dritten Kammer hundert Jahre vor der endgültigen Räumung der zweiten Kammer. Es deutet alles darauf hin, daß die zweite Kammer schließlich gewaltsam leergemacht wurde.
    Der Stein wurde also nicht nur aufgrund einer sozial bedingten Massenabwanderung geräumt, sondern im Zuge eines festgelegten Plans. Die Planer räumten den eher konservativen Bevölkerungsteilen dabei ein ganzes Jahrhundert Schonfrist ein; nachdem sie immer noch zögerten, wurden sie offenbar mit Gewalt aus der Stadt entfernt. Seltsamerweise haben wir Beweise dafür gefunden, daß einige orthodoxe Naderiten zwangsweise ein paar Jahre in der Stadt Thistledown untergebracht waren.
    Wir vermuten, daß die Steinbevölkerung durch den Korridor abgewandert ist. Dafür haben wir keine konkreten Beweise. Des weitern wissen wir noch nicht, warum der Auszug stattfand oder warum die treibenden Kräfte hinter dem Auszug den Stein völlig leerräumen wollten.«
    Der Bericht endete mit einer Reihe von Bildern, die Wohnräume in Alexandria und Kurven mit den geschätzten Bevölkerungszahlen in der zweiten und dritten Kammer im Laufe der Jahrhunderte zeigten. Unter spärlichem Applaus übergab Rainer das Wort an Rimskaya.
    »Eine reife Leistung der Anthropologen und Archäologen, nicht wahr?« sagte er und deutete auf die Personen in der ersten Reihe.
    Während noch einmal geklatscht wurde, stand

Weitere Kostenlose Bücher