Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Äon - Roman

Titel: Äon - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
herauszuquetschen.
    »Wo ist er?«, fragte der Fremde und kam noch einen Schritt näher. »Wie viel weiß er?«
    Anatoli blickte auf seine rechte Hand hinab, die noch immer den alten Dolch hielt, vom Metall der Münze überzogen. Hier, flüsterte es in ihm. Jetzt .
    Das Ende des Weges …
    Er hob die rechte Hand und stieß sich den Dolch ins Herz.

40
    Hamburg
    S ingerers Uhr funktionierte nicht mehr, aber er schätzte, dass er seit mindestens einer Stunde versuchte, unter den umgestürzten Schränken hervorzukriechen. Zuerst nahm er Rücksicht auf den Schutzanzug und ging vorsichtig zu Werke, damit sich keine Risse in ihm bildeten, aber dann begriff er, dass die Beschädigung des Helmvisiers bereits Gefahr genug bedeutete. Daraufhin ging er energischer daran, sich zu befreien, dankbar dafür, dass er sich nichts gebrochen hatte. Dann und wann hielt er inne und lauschte, hörte aber nur das Zischen von entweichendem Gas. Tanner blieb stumm - offenbar war das Funkgerät defekt -, und seltsamerweise hörte er auch nicht die Stimmen der Einsatzgruppe. Nur das Zischen leistete ihm in der Stille Gesellschaft. Als Singerer schließlich ganz unter dem Trümmerberg hervorkroch, fragte er sich erneut, welches Gas entwich. Er roch nichts, aber das bedeutete kaum etwas. Wasserstoff war geruchlos und leicht entzündlich; ein Funke konnte genügen, den ganzen Keller in ein flammendes Inferno zu verwandeln.
    Der Helm behinderte ihn und bot ohnehin nur mehr begrenzten Schutz. Singerer nahm ihn ab und legte ihn beiseite, tastete dann nach Taschenlampe und Pistole.

    Nach kurzer Suche fand Singerer erst seine Waffe und dann auch die Taschenlampe, in deren Licht er wenige Sekunden später mehrere Tote entdeckte. Einer von ihnen war ein junger Mann, dessen Kopf nur noch durch einige dünne Gewebestränge mit dem Körper verbunden war - bei solchen Verletzungen versagten selbst die großen Selbstheilungskräfte. Die anderen drei trugen dunkle Schutzanzüge und schusssichere Kevlarwesten, die ihnen jedoch nichts genützt hatten. Der junge Mann, von mehreren Kugeln getroffen, hatte mit einer Stahlstange auf die Beamten eingedroschen, ihre Helmvisiere zertrümmert und die Stange dann in die Gesichter gerammt, mit der Kraft eines Berserkers. In seiner Raserei hatte er die Scheiben von großen Vitrinen zerschlagen und Geräte zerstört - ein großer Instrumentenblock war von einem Gestell herabgefallen, und ein scharfkantiges Teil hatte ihn fast ganz enthauptet.
    Sein Blut wirkte wie glasiert und trug eine dünne Schicht aus erstarrtem Schaum.
    Singerer wich instinktiv zurück, obwohl er wusste, dass er vermutlich längst kontaminiert war, wenn das unbekannte Agens durch die Luft oder taktil übertragen wurde. Zwei oder drei Sekunden starrte er auf die Toten, drehte sich dann abrupt um und eilte durch den großen, dunklen Untersuchungsraum in Richtung der offenen Schleuse, vorbei an umgestürzten Tischen und Schränken, der gefesselten Frau - die ebenso reglos dalag wie die Leichen der Männer weiter hinten -, und einem weiteren toten Kontaminierten, den Singerer zuvor nicht gesehen hatte, einem dürren Alten mit pockennarbigem Gesicht und wie brandigen Händen und Armen. Was ihn getötet hatte, blieb ihm ein Rätsel, und er hielt nicht inne, um es zu lösen.
Er hastete durch den Beobachtungsraum mit dem Kontaminierten, dessen Gesicht unversehrt geblieben war, passierte die offene Sicherheitsschleuse und lief durch das Umkleidezimmer mit den zerfetzten Schutzanzügen. Der kleine Berg aus Löschschaum im Büro war geschrumpft, und in der Dunkelheit wäre Singerer fast über die Leiche des erschossenen Einsatzbeamten gestolpert. Sennstett befand sich, wo sie ihn zurückgelassen hatten, die Hände noch immer auf den Rücken gefesselt. Er bewegte sich nicht, lag ruhig auf dem Boden, und als Singerer die Taschenlampe auf ihn richtete, sah ihn der Kontaminierte wortlos an. Etwas in seinen Augen ließ ihn innehalten, und er beobachtete, wie die Lippen des Mannes ein Lächeln andeuteten.
    Es lief Singerer plötzlich kalt über den Rücken.
    Hastig wandte er sich ab und lief durch den Flur. Als er feststellte, dass der Lift nicht funktionierte, wandte er sich sofort der Treppe zu und eilte die Stufen hoch. Die Luft roch nach Löschmittel und anderen Chemikalien, die er nicht identifizieren konnte, und ein Teil von ihm suchte in den Gerüchen nach Hinweisen auf den Überträger der Kontamination. Wenn es ihn gab, so war er ihm inzwischen sicher lange

Weitere Kostenlose Bücher