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Äon - Roman

Titel: Äon - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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geklappert?
    »Dort drin gefällt es Elmer nicht«, sagte Mary und blickte in den Tunnel. »Er sagt, es ist zu dunkel, und außerdem stinkt es.«
    Singerer ging die Stufen hinunter. »Elmer hat recht«, sagte er mit erzwungener Geduld. »Aber es ist der einzige Weg. Wir haben darüber gesprochen, erinnerst du dich?« Er rang sich ein Lächeln ab. »Du kannst es deinem Freund unterwegs erklären.«
    Der Tunnel nahm sie auf.
    Das Licht blieb schon nach wenigen Metern hinter ihnen zurück, und als es zu dunkel wurde, legten sie eine kurze Pause ein, um ihren Augen Gelegenheit zu geben, sich an die Finsternis zu gewöhnen. Links neben ihnen floss Abwasser, das bereits mehrere bakteriologische Filter passiert hatte, zum allgemeinen Kanalisationsnetz und dem mehrere Kilometer entfernten Klärwerk. Wie beim ersten Mal verzichtete Singerer auf eine Taschenlampe, deren Schein sie hätte verraten können. Während Mary leise murmelte - vielleicht sprach sie mit Elmer - und José gelegentlich schnaufte, zählte er die Schritte. Es fehlten nur noch dreißig bis zur ersten Steigleiter, die eine Möglichkeit bot, nach oben zu klettern, als ein Kreischen durch den Tunnel hallte, und dann peitschte ein Schuss durch die Finsternis.
    »Runter!«, stieß Singerer hervor. »Auf den Boden.«

    Es platschte, und als er nach vorn tastete, stellte er fest, dass José halb im Wasser lag.
    »Bleibt liegen«, zischte er, drehte sich um und eilte geduckt zurück zur Klinik. Die Tunnelöffnung zeigte sich als grauer Fleck in der Ferne, und als Singerer eine schemenhafte Bewegung davor sah, hob er die Pistole, hielt sie mit beiden Händen und drückte schnell hintereinander ab.
    Einige Sekunden lang verharrte er geduckt, und als sich weiter vorn nichts regte, lief Singerer weiter. Nach fast dreißig Metern sah er eine Gestalt auf dem Boden und hörte ein leises Stöhnen. Vorsichtig trat er näher und sah im matten Licht der nicht mehr weit entfernten Tunnelöffnung einen Mann, der schmutzige zivile Kleidung trug und sich eine offenbar erbeutete Kevlarweste übergestreift hatte. Sie saß nicht richtig, schützte nur einen Teil des Oberkörpers, und deshalb hatten sich zwei der drei von Singerer abgefeuerten Kugeln dicht über dem Herz in die Brust gebohrt. Unter normalen Umständen wären die Wunden tödlich gewesen, aber Singerer beobachtete, wie die Blutung bereits nachließ. Der Mann stöhnte noch einmal, hob den Kopf, starrte zu ihm hoch und versuchte, seine Waffe auf ihn zu richten.
    Singerer schoss ihm mehrmals mitten ins Gesicht. Blut spritzte, Knochensplitter flogen, und grauweiße Substanz quoll aus dem Schädel.
    »Schießen«, tönte es aus der Dunkelheit. »Schießen …«
    »Ihr solltet liegen bleiben!«
    José wankte aus der Finsternis und sah auf die Gestalt hinab, deren Beine und Arme leicht zuckten. Singerer bückte sich und zog die Waffe aus der Hand des Toten.
    »Elmer findet das abscheulich«, sagte Mary. Sie stand neben
José, ein von Schemen umgebener Schatten, das Gesicht weiß und die Augen groß. Die Puppe hielt sie noch immer an sich gepresst.
    »Ich auch«, knurrte Singerer. »Die Mistkerle wollen einfach nicht sterben. Selbst jetzt können wir nicht sicher sein.«
    »Mistkerle«, wiederholte José. »Bumm.« Er hielt die Hand wie eine Waffe, hob den gestreckten Zeigefinger zum Mund und blies imaginären Rauch fort.
    »Elmer sagt, wer Menschen tötet, muss bestraft werden«, verkündete Mary ernst.
    Singerer hörte nur mit halbem Ohr hin. Er dachte an die SEK-Leute über dem Tunnel - wenn sie die Schüsse gehört hatten, waren die wenigen Ausgänge vielleicht schon blockiert.
    »Ihr wisst, wie gefährlich sie sind«, sagte er und steckte die Waffe des Toten ein. »Und sie können sich innerhalb kurzer Zeit selbst von schweren Verletzungen erholen. Deshalb habe ich immer wieder auf ihn geschossen. Damit dieser Bursche auch wirklich tot ist.«
    »Elmer sagt, du bist ein Mörder.«
    Etwas in Marys Stimme veranlasste Singerer, den Kopf zu drehen und sie anzusehen. José schien es ebenfalls gehört zu haben, denn er wich zurück, bis er fast ganz in der Dunkelheit des Tunnels verschwand. »Er hat ihn getötet«, sagte er. »Und auch die anderen. Er hat sie alle getötet. Und das Feuer … Es war seine Idee, Mary. Die Flammen, die eingesperrten Leute … Es war seine Idee.«
    »Elmer sagt, Mörder müssen bestraft werden.«
    »Jetzt hör mal …«, begann Singerer.
    Mary sah zur Wand des Tunnels. »Ja, Elmer, ich weiß, dass

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