Aeon
Stadt an der Achse.«
Rimskaya nickte eifrig. »Sprich schon mit ihnen«, schlug er vor.
Hoffman sah hinauf und kniff die Augen zusammen. »Wir wollen euch nichts Böses. Wer oder was seid ihr?«
»Leiten Sie diese Gruppe?«
»Ja«, sagte Hoffman. Sie deutete auf Gerhardt. »Er auch.«
»Leiten Sie sämtliche Gruppen in den Kammern?«
»Nein«, erwiderte Hoffman. Sie wollte von sich aus keine Informationen preisgeben und beschloss, sich wie ein Zeuge im Zeugenstand auf knappe Antworten zu beschränken.
Zwei der größeren, pfeilspitzenförmigen Fahrzeuge flogen langsam näher und bezogen über dem nördlichen und südlichen Ende des Lagers in fünfundzwanzig Metern Höhe Position.
»Garantieren Sie die Sicherheit eines Unterhändlers?«, fragte die Stimme aus dem Kreuz.
Hoffman blickte zu Gerhardt. »Sofort veranlassen!«, sagte sie zu ihm. Und dann lauter und in Richtung Kreuz: »Ja. Geben Sie uns etwas Zeit!« Gerhardt hob das Funkgerät an die Lippen und setzte sich mit den Einheiten in allen Kammern in Verbindung.
»Sind Sie bereit?«, fragte die Stimme dann.
»Ja«, sagte Hoffman, nachdem Gerhardt ihr zugenickt hatte.
Das Fahrzeug am südlichen Ende senkte sich zehn oder elf Meter von der Lagermitte entfernt auf den Boden, indem es zum Aufsetzen einen Schaft ausfuhr. Eine Luke in der Spitze schob sich blendenförmig auf.
Ein Mann in schwarzem Anzug stieg aus der Luke, sah sich rasch im Lager um und wandte sich dann an Hoffman. Er hatte walnussbraunes Haar, das in drei Streifen mit kurzen Partien dazwischen geschnitten war. Es fehlten ihm Nasenlöcher, und seine Ohren waren groß und rund.
»Mein Name ist Santiago«, sagte er beim Näherkommen. Er hielt Gerhardt, der am nächsten stand, die Hand hin; Gerhardt nahm sie, schüttelte sie kurz und trat dann zurück. Der Mann ging zu Hoffman und hielt auch ihr die Hand hin. Hoffman drückte sie leicht; der Mann drückte ebenso leicht. »Entschuldigen Sie die Ungelegenheiten, auch wenn sie nicht zu vermeiden waren. Ich bin beauftragt, Ihnen mitzuteilen, dass Sie allesamt geschätzte Gäste der Axis City sind«, sagte er. »Leider können Sie nicht länger in der Thistledown bleiben.«
»Wir haben keine andere Heimat mehr«, wandte Hoffman ein, die sich machtlos fühlte und hilflos wie bei der Flucht von der Erde im Shuttle.
»Sie unterstehen meiner Obhut«, sagte Santiago. »Wir müssen alle sammeln: die Forscher und Soldaten, die Leute in den Bohrlöchern, die Russen. Und zwar schnell.«
Mirski verließ das Fahrzeug und blinzelte im grellen Röhrenlicht. Im Flugzeug war es still und dunkel gewesen – gerade das Gegenteil von der lichtdurchfluteten siebten Kammer. Zum ersten Mal starrte er in den langen Korridor hinein und spürte die unleugbare Wahrheit, die er bisher nur vom Hörensagen kannte. Es war so wenig Zeit gewesen; die Bibliothek hatte jede Kraftreserve, die er nicht in seine Führungsaufgaben gesteckt hatte, aufgebraucht …
Fünf weitere Russen stiegen nach ihm aus. Es waren lauter Deserteure, die in dem gleichen Gebiet der vierten Kammer aufgegriffen worden waren. Auch sie blinzelten und bedeckten sich die Augen. Auch sie blickten scheu in den Korridor und begriffen allmählich die Zusammenhänge der gewaltigen Entfernung.
Einen Kilometer westlich versammelten sich Hunderte von Leuten beim Tunnel null. Es handelte sich, wie Mirski feststellte, hauptsächlich um NATO -Angehörige, die ebenfalls evakuiert werden sollten. Die Kartoffel wurde leergeräumt. Warum und wozu, war momentan egal.
Der Russe, den er im Wald kennengelernt hatte, tippte ihm auf den Arm und deutete nach Osten. Hunderte von russischen Soldaten hockten in einem Rechteck am Boden, umringt von mindestens einem Dutzend Kreuzen und drei Leuten, die er nicht kannte und die ähnlich gekleidet waren wie die Frau, die ihn im Wald aufgegriffen hatte.
Weitere pfeilförmige Fahrzeuge senkten sich herab, landeten an der Südkappe der Kammer und spien noch mehr Menschen aus. Mirski fragte sich, ob man sie alle umbringen würde. Aber spielte das noch eine Rolle für jemanden, der schon mal gestorben war? Ja, wie er fand.
Er wollte immer noch nach den Sternen greifen. Obwohl die Chancen dazu nun schlecht standen, behauptete sich der Wunsch und bescherte ihm die Einsicht, dass er im Grunde genommen Pawel Mirski war. Noch hatte er etwas gemeinsam mit dem Fünfjährigen, der im winterlichen, frostklirrenden Kiew den Sternenhimmel bestaunt hatte. Diese Erinnerung war sogar klar und
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