Aerzte zum Verlieben Band 47

alles ab.
    Da konnte sie noch so sehr versuchen, positiv zu denken, die Erkenntnis war einfach niederschmetternd.
    Alice’ abendliche Routine geriet aus dem Takt. Sie kochte sich zwar etwas zu essen, vergaß aber, sich dabei Musik anzumachen. Und erst als sie schon in der Badewanne lag und versuchte, sich zu entspannen, fiel ihr ein, dass sie ihre Duftkerzen nicht angezündet hatte. Sonst gehörte der zarte Orangenduft zum abendlichen Bad dazu wie der weiche Schaum auf dem Wasser.
    Auch die Tasse Tee vor dem Zubettgehen fehlte, als sie den Computer hochfuhr, um ihre E-Mails abzufragen. Beim Blick in den Posteingang hob sich ihre Stimmung jedoch ein wenig. Ihre Freundin Pamela aus London hatte ihr geschrieben.
    Schön, endlich mal von Dir zu hören. Ist ja der Wahnsinn, dass Randy Andy ausgerechnet bei Dir da drüben auftaucht!
    Randy Andy, der scharfe Andy … Der Spitzname beschwor schmerzliche Erinnerungen herauf. Sicher, Andrew hatte einen gewissen Ruf gehabt, was Frauen betraf, aber Alice hatte ziemlich schnell begriffen, dass die Frauen hinter ihm her waren und nicht umgekehrt. Letztendlich kamen sie bei dem attraktiven Arzt nicht zum Ziel.
    Abgesehen von Melissa, natürlich, der aufregenden Blondine, die Alice mit ihrem neuen Job vertraut gemacht hatte.
    „Denk nicht mal dran“, hatte Melissa mit einem Siegerlächeln gesagt, nachdem sie ihr den jungen Chefarzt vorgestellt hatte. „Er gehört mir.“
    Alice freundete sich mit Pamela an, und als irgendwann der gut aussehende Dr. Barrett und Melissa zur Sprache kamen, hatte Pamela nur lakonisch gemeint: „Sie wird ihn sich angeln. Wart’s ab.“
    Und tatsächlich … ungläubig und mit wachsendem Erstaunen wurde Alice Zeugin, wie ein intelligenter Mann wie Andrew sich von Melissa um den Finger wickeln ließ. Merkte er denn nicht, dass er für sie nur Statussymbol und eine Absicherung für die Zukunft war? Irgendwann musste er doch erkennen, dass eine andere Frau ihm viel mehr bieten konnte.
    Sie selbst wäre gern diese Frau gewesen, aber diesen Traum hatte sie ganz schnell begraben. Sechs Monate später traten Andrew und Melissa vor den Traualtar, und auch Alice war zur Hochzeit eingeladen. Melissas strahlendes Lächeln hatte einen Hauch von Triumph gehabt, und ihr märchenhaft schönes Brautkleid verriet nicht im Geringsten, dass sie bereits schwanger war.
    Ehrlich gesagt wundert es mich nicht, dass er sich so weit wie möglich abgesetzt hat. Weißt Du noch, als Mel mit dem gebrochenen Handgelenk und den Prellungen ankam? Du wolltest den Gerüchten nicht glauben, und ich war Deiner Meinung, aber jetzt weiß ich nicht mehr, was ich denken soll. Es gab eine Untersuchung, weil sie bei ihrer letzten Einweisung übel zugerichtet war.
    Pam war also dabei gewesen. Mit angehaltenem Atem beugte Alice sich vor und las weiter.
    Sie war die Treppe hinuntergefallen. Schreckliche Kopfverletzungen. Man brachte sie gleich in den OP, aber sie erlangte das Bewusstsein nie wieder. Wochenlang lag sie auf der Intensivstation. Natürlich wurde die Polizei eingeschaltet, und wegen der Eintragungen in ihrer Krankenakte gab es Gerüchte, dass es zur Anzeige kommen sollte. Einer der Hilfspfleger hat einen der Polizisten sagen hören, dass Mel vermutlich die Treppe hinuntergestoßen wurde.
    Wie vor den Kopf geschlagen saß Alice da.
    Nein!
    Sie hatte nicht nur mitbekommen, wie Melissa Andrew monatelang beharrlich nachstellte, sondern auch Andrew beobachtet. Er war ein talentierter Arzt und ein wunderbarer Kollege, ohne jemals überheblich zu sein. Mit seinen Patienten ging er zuwendend und fürsorglich um, und gerade diese besondere Eigenschaft hatte Alice an ihm am meisten bewundert. Oft hatte sie erlebt, wie er ein ängstliches Kind mit einem Lächeln und ein paar Worten beruhigte.
    Wenn er lächelte, vertieften sich die feinen Fältchen an seinen unglaublich blauen Augen, und sein Gesicht hatte diesen besonderen Ausdruck, sodass man Andrew Barrett einfach vertrauen musste.
    Und ohne es anfangs zu merken, verliebte Alice sich – erst in sein Lächeln, dann in den Mann selbst.
    Seit er wieder in ihrem Leben aufgetaucht war, hatte sie dieses Lächeln zwar nicht mehr gesehen, aber sein Verhalten den Patienten gegenüber war unverändert. Auch das innige Verhältnis zu seiner kleinen Tochter hatte sie stark beeindruckt. Nein, sie konnte einfach nicht glauben, dass er seine Frau die Treppe hinuntergestoßen hatte. Das war … unvorstellbar.
    Alice las weiter.
    Ich habe nie erfahren,