Aeternum
schüttelte sie unwirsch den Kopf. Es war sinnlos, auch nur in Erwägung zu ziehen, dass die Engel ein Interesse daran haben könnten, ihr zu helfen. Mit ihren harten, mitleidlosen Mienen wirkten sie wie die Sorte Wesen, die man beauftragte, um ganze Städte zu zerstören oder zehn Plagen über Ägypten zu bringen. Nicht sehr gütig, dafür aber allzeit bereit, jede noch so kleine Sünde zu bestrafen. Sicher hätten sie ihr genügend Verfehlungen vorzuwerfen. Ihr, einer Einbrecherin und Dämonendienerin.
Die Tür öffnete sich, und ein Ruck ging durch die Wächter. Die Engel legten eine Hand auf den Griff ihrer Schwerter und wandten sich halb um. Für einen Moment flackerten ihre Flügel wieder auf, entfalteten sich zu atemberaubender Spannweite.
Die Dämonen blieben deutlich gelassener, doch auch sie wirkten mit einem Mal … sprungbereit. Wie lauernde Raubtiere.
Amanda ließ sich ebenfalls von der Anspannung anstecken, setzte sich aufrechter hin.
Eine kleine Personengruppe strömte in die Eingangshalle. Die Engel waren leicht an ihrem hellbraunen bis weißblonden Haar zu erkennen und an den langen Mänteln, unter denen sich die Konturen ihrer Schwerter abzeichneten, wenn sie sich bewegten. Die Dämonen wären in einer Menschenmenge kaum aufgefallen. Viele trugen Anzug, manche schlicht Jeans und T-Shirt. Unter ihnen befand sich auch die eine oder andere Frau. Die Engel dagegen … nun, sie sahen eher männlich als weiblich aus, doch wer wusste schon, ob Engel überhaupt ein Geschlecht besaßen.
Amanda entdeckte Balthasar im hinteren Teil der Gruppe, ins Gespräch mit einer Dämonin vertieft. Sie kannte die Frau nicht, doch das hatte nichts zu bedeuten. Balthasar hatte sich stets bemüht, sie von der Dämonenpolitik fernzuhalten.
Eine Bewegung ein Stück rechts von ihr weckte Amandas Aufmerksamkeit. Ein Mann im Anzug erhob sich von seinem Sitz. Bisher hatte sie ihn für einen weiteren Teil der Security gehalten, doch als er die Hand hob, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen, rutschte sein Ärmel ein Stück nach unten. Der Kopf seiner Schlange saß auf der Innenseite des Handgelenks, nicht auf dem Handrücken wie bei ihr selbst, doch er kennzeichnete ihn unverwechselbar als Dämonendiener.
Soweit sie wusste, bedeutete die Position des Kopfes, dass er nicht nur seine Dienste, sondern zuvor bereits seine Seele an seinen Herrn verkauft hatte. Über seinem Herzen würde zusätzlich eine blutrote Hand prangen, wie zum Zugreifen bereit. Es musste ein scheußlicher Anblick im Spiegel sein.
Was hatte er dafür wohl bekommen? Geld und Macht, so wie er aussah.
Der Mann blickte Balthasar, oder wahrscheinlich eher dessen Begleiterin, entgegen und wirkte dabei wie der Diensteifer in Person. Fehlte nur noch, dass er beim Anblick seiner Herrin mit dem Schwanz wedelte wie ein braver Hund. Amanda schüttelte sich vor Abscheu. So wollte sie niemals enden.
Demonstrativ lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück. Eine armselige Trotzgeste, wenn man genauer darüber nachdachte, aber sie gab ihr das Gefühl, zumindest noch ein klein wenig Kontrolle über ihr Leben zu haben. Sie war kein gut abgerichtetes Haustier, sie traf eigene Entscheidungen, auch wenn es dabei größtenteils darum ging, wann sie einen Streit vom Zaun brach und eine Strafe riskierte und wann nicht.
Ein Luftzug streifte sie, als zwei Engel an ihr vorüberrauschten, und für einen Moment hing der frische Geruch kalter Wintertage in der Luft. Nachdenklich sah Amanda den beiden stolzen Gestalten nach. Diese Engel sahen alle so gleich aus in ihren langen Mänteln, und trotzdem mussten einige von ihnen wichtiger sein als andere. Was diese beiden wohl waren? Erzengel? Normale Engel? Oder irgendwelche von denen, die auf »-im« endeten, wie auch immer sie noch mal hießen? Amandas Wissen über Engel und deren Hierarchie stammte größtenteils aus Filmen und Serien. Sie wünschte sich, Balthasar hätte ihr etwas weniger über Magie und dafür mehr darüber erzählt, was all die himmlischen und höllischen Wesen auf Erden trieben.
Die Eingangshalle leerte sich schnell, und selbst die Türwächter verschwanden hinaus in den Innenhof. Der einzige andere Mensch im Raum ging seiner Herrin entgegen und verneigte sich tief. Amanda beobachtete ihn mit gerunzelter Stirn. Wie sie es hassen würde, so etwas tun zu müssen …
Eine Hand legte sich auf ihre Schulter, und sie zuckte leicht zusammen, bevor sie Balthasar erkannte. Er beugte sich zu ihr herunter, und der ihm
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