Aeternum
Herr keine leeren Drohungen aussprach.
»Du könntest ihn einfach freilassen.«
Balthasar nickte. »Ich könnte. Aber ich habe das Gefühl, er ist ähnlich starrköpfig wie du und wahrscheinlich nachtragend. Er würde mir nur Ärger machen.« Musste er nun auch noch wie ein verdammter Mafioso klingen? Manchmal glaubte Amanda, dies alles machte Balthasar Spaß, war nichts als ein Spiel für ihn.
»Sieh es als eine zusätzliche Motivation, am Leben zu bleiben.«
Amanda merkte kaum, wie sich ihre Hände zu Fäusten ballten und sie einen Schritt auf Balthasar zu trat. »Auf diese Art von Motivation kann ich gut verzichten. Ich habe gesagt, dass ich alles tun werde, um zu überleben. Was willst du mehr?« Die letzten Worte hatten aggressiv klingen sollen, gerieten ihr aber viel zu jämmerlich. Sie presste die Lippen aufeinander, versuchte sich wieder zu sammeln. Es war gefährlich, in Balthasars Gegenwart Schwäche zu zeigen. Er würde jeden einzelnen dieser Momente gegen sie verwenden.
»Ich will dafür sorgen, dass du wirklich alles tust. Deine Sicherheit ist meine größte Sorge.« Hätte sie Balthasar nicht gekannt, hätte sein Lächeln auf sie vielleicht entwaffnend gewirkt, aber sie wusste es besser. Noch ehe sie etwas erwidern konnte, wandte er sich ab. »Komm! Ich habe da etwas für dich.«
Sie folgte ihm nicht sofort, sondern sah noch einmal in Romans Zelle. Irgendwann würde es ihr gelingen, ihren Bruder zu befreien. Sie brauchte nur etwas mehr Zeit. Und dafür musste sie die nächsten Tage überleben.
*
Der Geruch nach staubigen Büchern weckte Erinnerungen an die unzähligen Stunden, die sie mit Balthasar in der Bibliothek verbracht hatte. Hier hatte sie lernen müssen, bewusst nach der magischen Kraft in ihrem Inneren zu greifen – und ihr Lehrer war ein Dämon gewesen, der selbst nicht genau verstand, wie es funktionierte. Ein schmerzhafter Prozess, denn Geduld gehörte nicht zu Balthasars Stärken.
Amanda schüttelte den Kopf, verbannte die Erinnerungen dorthin, wo sie alle unliebsamen Gedanken einschloss. Die Gefahr für ihr eigenes Leben, das Schicksal ihres großen Bruders. Wenn sie zu lange über ihre Situation nachdachte, tat sich unter ihren Füßen ein Abgrund auf. In ihrer momentanen Situation konnte Grübeln tödlich sein. Sie musste einen klaren Kopf bewahren. Um jeden Preis.
Reine Gewohnheit lenkte Amandas Füße zwischen den Reihen von Bücherregalen hindurch auf den Tisch am Fenster zu. Draußen glitzerte der Wannsee im Mondlicht, und in der Ferne konnte sie trotz der fortgeschrittenen Stunde eine hell erleuchtete Yacht erkennen. Irgendjemand genoss dort gerade seinen Urlaub. Manche Leute hatten einfach so beschissen viel Glück.
Ein Klacken. Balthasar stellte ein Weinglas auf dem Tisch ab, legte ein schmales Messer daneben und machte eine auffordernde Geste in Richtung eines Stuhls. Während Amanda sich setzte, nahm er ihr gegenüber Platz. Skeptisch betrachtete sie die Gegenstände auf der Tischplatte. Was sollte das werden?
Balthasar krempelte den linken Ärmel seines Hemdes hoch, griff mit der Rechten nach dem Messer. Ein schneller Schnitt zog eine rote Linie über seinen Unterarm. Mit einem mulmigen Gefühl sah Amanda zu, wie Blut aus der Wunde quoll, sich sammelte und in das bereitgestellte Gefäß tropfte. Auch Balthasar wirkte ungewohnt angespannt, während er dem roten Rinnsal zusah. Als das Glas zur Hälfte gefüllt war, stoppte die Blutung abrupt. Noch während er es in Amandas Richtung schob, schloss sich die Wunde wieder.
Zögernd, aber mit einer ziemlich genauen Vorstellung davon, was er von ihr erwartete, streckte sie eine Hand nach dem gläsernen Stiel aus. Wären da nicht ihre Sorgen gewesen, hätte sie sich ein Kichern wahrscheinlich nicht verkneifen können. Blut in einem Weinglas! Als ob es irgendein anderes Gefäß nicht auch getan hätte.
»Na los, trink!« Eine ungeduldige Handbewegung begleitete seine Worte, bevor Balthasar seinen Ärmel wieder herunterkrempelte.
Amanda zog das Glas zu sich hin, starrte in die rote Flüssigkeit. Sie erinnerte sich noch allzu gut, wie es gebrannt hatte, als Balthasar damit das Tattoo gestochen hatte. Sie konnte nur hoffen, dass es auf ihren Magen nicht ähnlich wirkte. »Eine Erklärung wäre nett.«
Anstelle einer Antwort kroch nur das wohlbekannte unangenehme Prickeln durch ihren Arm. Mit Balthasars Geduld schien es an diesem Abend noch schlechter bestellt zu sein als sonst. Amanda seufzte. Sie wollte nicht schon
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