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Aeternum

Aeternum

Titel: Aeternum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Bottlinger
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nach dem Fall des Morgensterns.« Er wusste, dass sie die Geschichte würde hören wollen. Es kam ihm vor, als würde er sie schon länger als einen halben Tag kennen, nach allem, was sie zusammen durchgemacht hatten. Während sie sich abtrocknete, setzte er sich auf den Badewannenrand. »Samael war einer der Ersten, zusammen mit Azazel und Samyaza. Sie verliebten sich in Menschenfrauen, stiegen zu ihnen auf die Erde hinab. Andere folgten ihrem Beispiel. Sie zeugten Kinder, die einige Probleme verursachten, und das war der Punkt, an dem der Herr wütend wurde. Am Ende wurden die Kinder in der Sintflut ertränkt und die Engel aus dem Himmel verbannt, wie der Morgenstern und seine Anhänger. Der Herr hat sie alle in tiefe Kerker gesperrt, tiefer noch als die Hölle, und ohne die Möglichkeit auf ein Entkommen. Vorher war es nur eine lose Regel, aber seitdem ist es uns strengstens verboten, uns … verführen zu lassen.«
    Amanda hielt inne, runzelte die Stirn. Wie sie da stand, nackt und nass und skeptisch, hätte sie ein wunderschönes Bild abgegeben, wäre da nicht die Tätowierung gewesen. Die Schlange auf ihrem linken Arm wand sich bis hinauf zu ihrer Schulter, ein blutiges Mal auf ihrer bleichen Haut.
    »War das dann nicht etwas übertrieben?«
    »Was?«
    »Diese Engel bis in alle Ewigkeit einzusperren.« Sie trocknete sich fertig ab, warf ihm das T-Shirt zu.
    Er hob die Schultern. »Die Wege des Herrn sind unergründlich.« Wie leer diese Worte klangen, wie wenig sie aussagten.
    Sie verzog das Gesicht. »Auf die Art kann man alles wegerklären.«
    Jul seufzte. Schnell trocknete er sich ab und schlüpfte in seine Hose. Es fiel ihm inzwischen so leicht, Amandas Skepsis nachzuvollziehen. Je länger er mit ihr diskutierte, je öfter er gezwungen wurde, über Richtig und Falsch und all die Grautöne dazwischen nachzudenken, desto natürlicher erschienen ihm all die zusätzlichen Gefühle, die ihm der Biss in den Apfel beschert hatte. Was er in den Jahren auf der Straße immer so weit wie möglich von sich fortgeschoben hatte, was er in der Zeit mit Karin nur langsam verstehen gelernt hatte, wurde nun innerhalb kürzester Zeit ein Teil von ihm. Es hatte offensichtlich nur die Notwendigkeit gebraucht, sich damit auseinanderzusetzen. Dennoch verlieh es ihm keine Sicherheit. Im Gegenteil, Zweifel schienen ein fester Bestandteil von alldem zu sein. Früher war alles so viel einfacher gewesen …
    Das Klingeln des Handys ließ Jul zusammenzucken. War Karin in Schwierigkeiten?
    »Das Handy ist noch in meiner Hosentasche.« Amanda sah sich suchend um, doch Jul entdeckte ihre Hose als Erster. Er fischte das kleine Gerät aus einer der Taschen und brauchte eine Weile, bis er herausgefunden hatte, wie man abhob.
    »Karin, alles in Ordnung?«
    »Aushilfsadler an Adlernest. Wo seid ihr?«
    Er lachte. Ja, offensichtlich war alles in Ordnung, und Karin schien den Schock der jüngsten Ereignisse gut verarbeitet zu haben.
    »Sechster Stock, erste Tür links.«
    »Roger, Roger.«
    Jul schob das Handy in seine Tasche und musterte Amanda, die gerade in ihre Hose schlüpfte. Ihre Bluse war ein zusammengeknüllter, blutverkrusteter Fetzen in einer braungekachelten Ecke. »Du kannst wieder meine Jacke haben, bis Karin hier ist.«
    Sie nickte dankend, doch Jul ließ den Blick bereits weiter durch den Raum schweifen. Das kalkverkrustete Waschbecken, die wenig appetitlich aussehende Toilette … Wo war seine Pistole? Beinahe hätte er wieder geflucht, als es ihm einfiel. Im Zimmer nebenan! Er hatte sie zusammen mit seinem T-Shirt abgelegt. Mit einem Schritt war Jul bei der Tür. Wie hatte er nur so unaufmerksam sein können? Wer wusste schon, ob Michael sie nicht doch fand. Er durfte nicht ausgerechnet jetzt anfangen, Fehler zu machen.
    Er riss die Badezimmertür auf, eilte durch den engen Flur in den anderen Raum. Als es klingelte, zuckte er zusammen. Eilig hob er die Waffe auf, zog sie aus dem Halfter. Lieber nichts riskieren.
    Auf nackten Sohlen und mit der Pistole in der Hand schlich Jul durch den Flur. Die Finger an der Klinke verharrte er, lauschte mit angehaltenem Atem. Leises Füßescharren drang durch das dünne Holz, es klang nach einer Person. Ruckartig riss er die Tür auf, hob die Waffe. Eine Tüte fiel mit einem weichen Plumpsen zu Boden.
    »Verdammt, Jul!« Karins Augen waren hinter den Brillengläsern vor Schreck geweitet.
    Er ließ die Pistole sinken und hob entschuldigend die Schultern. »Ich konnte nicht wissen, ob du es

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