Aeternus - Eisiger Kuss: Roman (German Edition)
Bericht.
»Eine sehr wirkungsvolle Waffe – ich hätte sie gern selbst«, sagte Oberon nachdenklich.
Antoinette klappte die Kinnlade herunter. »Oberon – er hat damit auf Sie geschossen!«
»Ich weiß, aber es ist trotzdem eine gute Waffe. Damitkönnten wir einen Täter zu Fall bringen, ohne jemand anderen zu gefährden. Es sei denn, sie kann bei Menschen großen Schaden anrichten.«
Sie rollte mit den Augen und wandte sich wieder an Christian. »Wie lange seid ihr schon hier?«
»Wir sind sofort hergekommen, als ich wusste, dass du die Verwandlung überstanden hattest«, sagte er.
Der Grund für ihren Aufbruch erschien ihr im Lichte der neuesten Ereignisse längst nicht mehr so wichtig. Dennoch wandte sie den Blick ab und schluckte den Kloß herunter, der sich in ihrem Hals gebildet hatte.
Oberon und Christian mussten kurz vor ihr hier angekommen sein. Sie waren ihr so nahe gewesen, und Antoinette hatte es nicht gewusst. »Wisst ihr, was Lucian vorhat?«
Oberon lief hin und her wie ein eingesperrtes Tier.
»Nichts Gutes, wie ich vermute, aber er hat bis vorhin noch nicht mit uns gesprochen. Der große Knabe bringt uns Nahrung, was seltsam ist, falls Lucian vorhaben sollte, uns umzubringen«, sagte Christian.
Ein eisiges Kichern ertönte aus der angrenzenden Zelle. Dante kämpfte sich auf die Beine. »Er will euch nicht umbringen. Aber das würdet ihr euch wünschen, wenn er fertig ist mit euch.«
»Rubins, du kranker Drecksack!« Oberon zog die Schultern hoch und ballte die massigen Fäuste. »Was weißt du denn schon?«
»Ich weiß eine Menge über Lucian – wie nennt er sich heute noch gleich?« Er schnippte mit den Fingern, als wäre ihm die Antwort nach mühsamem Nachdenken eingefallen. »Ah, ja, Moretti.«
»Was meinst du damit?«, fragte Christian.
Aber Dante bedachte ihn bloß mit einem schiefen Grinsen und tippte sich gegen die Nase.
»Hallo, Kleines.« Der Blick von Dantes grauen, toten Augen schien sie zu durchbohren. »Wie ich sehe, hat Christian beendet, was ich angefangen habe. Eine Ironie des Schicksals, nicht wahr? Nun bist du zu dem geworden, was du verabscheust, auch wenn ich geplant hatte, dich sofort zur Drenierin zu machen. Das wäre doch noch schöner gewesen – die Jägerin wird zur Beute. Aber dafür ist es noch nicht zu spät, denn wenn der Hunger wächst und wie ein Tier an deinen Eingeweiden frisst …«
»Es reicht!«, brüllte Christian.
Antoinettes Haut prickelte. Sie rieb und kratzte sich die Arme, aber dadurch wurde es nur noch schlimmer. Dante hatte recht, sie konnte noch immer zur Nekrodrenierin werden. Sie war befleckt, böse.
Antoinette fiel auf alle viere und übergab sich, erbrach aber nichts als Luft. Ihr Körper produzierte keine Verdauungssäure und auch keine Galle mehr. In ihrem System befanden sich nur noch die Enzyme, die zur Aufspaltung des menschlichen Blutes nötig waren.
Dantes Kichern floss über sie wie kaltes Spülwasser.
»Sehen Sie nur, wie leicht Sie es ihm machen«, sagte Lucian von der Tür her. »Er hat Macht über Sie, weil Sie sie ihm geben.«
»Bastard!«, spuckte Christian aus.
Lucian ging hinüber zu dem Operationstisch in der Mitte des Raums. »Was ist los? Genießen Sie Ihre kleine Wiedervereinigung etwa nicht?« Lucian sah sie an. Die Wärme, die sie früher in seinen Augen gesehen hatte, war vollkommen verschwunden.
Der Butler trat ein und brachte Handschellen mit. Dante starrte Lucian an, Unsicherheit flackerte in seinem Gesicht auf.
Dante bewegte sich näher an die Stäbe heran. »Was zum Teufel haben Sie vor, Moretti?«
»Deine kleinen außerplanmäßigen Aktivitäten haben zu viel Aufmerksamkeit erregt. Du bist zu einer Belastung geworden.«
Dante packte die Gitterstäbe mit beiden Händen. Der elektrische Schlag schleuderte ihn unter heftigem Knistern nach hinten.
Ozongestank drang zu Antoinette vor, als sich der gestürzte Aeternus wieder auf die Beine kämpfte. Bald stand er wieder aufrecht, aber er zitterte stark. »Sie haben gesagt, solange ich meine Arbeit erledige, ist es Ihnen egal, was ich nebenher mache.«
»Aber du hast deine Arbeit nicht erledigt.« Lucian sah Antoinette an. »Du solltest sie umbringen, doch stattdessen hast du die anderen hergeführt.«
Schmerz durchschnitt ihr Herz wie eine eisige Klinge. Er hatte ihren Tod tatsächlich gewollt. Sie öffnete den Mund und schloss ihn wieder, ohne dass sich Wörter auf ihrer Zunge gebildet hätten.
»Sie schulden mir etwas, Moretti!«, schrie Dante.
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