Aeternus - Sanfter Tod: Roman
und die hellen Augen. Was für ein Unterschied zu der zugedröhnten Drenierin in zerrissenen Strümpfen und mit zerzaustem Haar, die sich in einer dreckigen Hintergasse am Handgelenk eines Menschen genährt hatte.
Antoinette stützte die Ellbogen auf den Tisch und verschränkte die Finger. »Sie wurde vor über drei Monaten als vermisst gemeldet. Während wir uns hier unterhalten, informiert die Bostoner Polizei gerade die Eltern.«
Kitt betrachtete die Aktenstapel – vor allem den mit den möglichen Fällen der Bande. »Das sind doch sicherlich über fünfzig. Hätte es denn niemand bemerkt, wenn Drenier in diesem Gebiet aktiv sind, und die Gilde benachrichtigt?«
»Wie ich schon sagte, sind sie gerissen und verbergen ihre Spuren gut, was man sonst bei Dreniern nicht findet. Sie passen nicht in das übliche Profil. In diesen Akten befinden sich auch Raubüberfälle und Entführungen. Einige Opfer sind einfach verblutet, oder die Fälle wirken wie gewöhnliche Morde oder sogar Selbstmorde. Üblicherweise saugen die Drenier ihre Opfer vollkommen aus, aber um ihren Rausch zu bekommen, müssensie eigentlich nur das Blut trinken, während das Herz des Opfers den letzten Schlag tut. Den Rest können sie vergessen, wenn sie nicht sehr hungrig sind.«
»Sie wollen damit also sagen, dass sie ihre Morde verdecken. Das tun Drenier üblicherweise nicht.« Kitt betrachtete den Bericht über die kopflose Leiche eines jungen Mädchens, die an einem Straßenrand gefunden worden war; man ging von einem Unfall mit Fahrerflucht aus.
»Nein, aber sie leben und jagen üblicherweise auch nicht in Rudeln. Als ich sie in diesem Stundenhotel gefunden habe, hatte es den Anschein, als wären sie schon seit Wochen und vielleicht sogar noch länger dort gewesen.«
Tony kam aus der Nachrichtenzentrale und strahlte. Er eilte zu ihnen; seine Aufregung war beinahe mit Händen zu greifen.
»Ich bin froh, dass ich Sie beide hier antreffe.« Er zeigte ihnen das Schwarz-Weiß-Foto einer Verhafteten. »Ist das die Aeternus, die Sie in der Gasse gesehen haben?«
Antoinette nahm das Bild und betrachtete es. »Das wäre möglich, aber Kitt hat sie deutlicher gesehen.« Sie gab das Foto an Kitt weiter. »Was glauben Sie?«
Die Frau auf dem Foto trug streifige und verlaufene Wimperntusche. Sie hatte tief in den Höhlen liegende Augen und wirres Haar, aber ihr höhnisches Grinsen erkannte Kitt sofort.
»Das ist sie«, sagte sie und schaute von Antoinette zu Tony.
»Ich wusste es.« Er nahm das Foto zurück und wirkte sehr zufrieden. »Sobald Sie sie beschrieben hatten, wusste ich, dass es Marvella ist.«
»Marvella?« Antoinette lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück.
Hätte Tony einen Schwanz wie ein Hund gehabt, dann hätte er jetzt damit gewackelt, als gäbe es kein Morgen. »Marvella Marie Molyneux – aus einer alteingesessenen Aeternus-Familie in New Orleans. In den Achtzigern hatte sie einigen Erfolg als Rockstar unter dem Künstlernamen Marie Vella. Als Groupies und andere Personen in ihrem Gefolge verschwanden, stellte man fest, dass sie diese an eine Bande von Dreniern verfüttert hatte, die sie im Tourbus versteckt hatte. Anscheinend haben die Morde sie erregt, und sie hatte Sex mit den Dreniern, während sie sich noch in den Fängen ihres Todesrauschs befanden. Sie wurde verhaftet und in ein Hochsicherheitsgefängnis gesteckt, konnte aber vor einem Jahr fliehen. Es wird vermutet, dass sie dabei Hilfe hatte.«
»Also ist sie keine Drenierin, sondern eine verrückte Aeternus wie Dante Rubins«, sagte Antoinette.
Tonys Grinsen verschwand bei der Erwähnung dieses Namens, und er warf einen kurzen Blick auf Kitt, bevor er langsam nickte. In ihrem Bauch machte sich ein inzwischen vertrautes Gefühl der Leere breit, als Dylans Mörder erwähnt wurde, auch wenn es nicht mehr ganz so schlimm war wie früher. Komme ich etwa allmählich darüber hinweg? Die Zeit würde es zeigen.
»Anscheinend hat sie ihre alten Gewohnheiten wieder angenommen.« Antoinette kam zum Thema zurück. »Aber sie scheint jetzt raffinierter vorzugehen.«
Kitt legte die Akte über das Mädchen aus Boston auf den kleinen Haufen mit den sicheren Fällen. »Glauben Sie, das hat etwas mit unserem Serienmörder zu tun?«
»Ich werde weitere Nachforschungen anstellen«, sagte Tony, »aber ich glaube es eigentlich nicht.«
Antoinette nickte. »Die Vorgehensweise ist zu unterschiedlich. Aber vielleicht hängt es mit diesen Dunklen Brüdern zusammen, von denen Rudolf
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