Aeternus - Sanfter Tod: Roman
der andere ruhte auf seinem rechten Bein.
Sie hockte sich vor den Couchtisch und zog den Korken aus der Flasche. Das Getränk bestand aus den Beeren des tödlichen Nachtschattengewächses, die Oberons Familie in der hintersten Provinz destillierte. Das Ergebniswurde Atropa-Wein genannt. Er war illegal und höchst berauschend für die Bestiabeo, für Menschen hingegen war er tödlich.
Als sie eingoss, überkam sie ein Déjà-vu-Erlebnis. Sie hatten so etwas schon einmal gemacht. Kitt zitterte, und ein wenig von dem trüben Getränk tropfte auf die Glasplatte des Tischs. Sie zwang ihre Hand, ruhig zu werden, und schüttete weiter ein.
Oberon nahm das Glas, das sie ihm entgegenhielt. »Das erinnert mich an andere Zeiten«, sagte er, als hätte er ihre Gedanken gelesen.
»Mit einem großen Unterschied«, meinte Raven und erhob sein Glas. »Auf abwesende Freunde – auf Emmett und Dylan.«
»Auf Emmett und Dylan«, sagten Kitt und Oberon im Chor und kippten die bittersüße Flüssigkeit herunter.
»Ganz schön stark«, sagte Raven und stellte das Glas lächelnd auf den Tisch.
»Wie in alten Zeiten, ja?«, grinste Oberon.
»Nachdem ich dir Manieren beigebracht hatte.« Ravens Grinsen wurde breiter.
»Ja …« Oberon stellte sein Glas neben das von Raven und bedeutete Kitt, sie wieder zu füllen. »Himmel, du hast uns wirklich hart rangenommen.«
»Was?«, fragte sie. »Wann?«
»Als wir uns zum ersten Mal begegnet sind«, erwiderte Oberon.
»Aber ich war es doch, die euch miteinander bekannt gemacht hat«, sagte sie verwirrt. »Wir hatten einen sehr angenehmen Abend.«
»Das war eigentlich nicht unser erstes Treffen«, gab Oberon zu.
»Emmett, Oberon und dein Bruder hatten beschlossen, mich zu verjagen, als sie herausgefunden hatten,dass wir beide uns regelmäßig sehen«, erklärte Raven. »Wie hatte Dylan es noch gleich ausgedrückt? ›Wir wollen nicht, dass dieser Matowke-Abschaum unsere Frauen anfasst – und vor allem nicht meine Schwester.‹«
Oberon lachte und nickte. »Aber ich glaube, er hat ›dieses Matowke-Drecksstück‹ gesagt.«
Die beiden Männer hoben die Gläser, stießen an, lachten und tranken. Kitt kippte den Alkohol in einem Zug herunter. Das Prickeln begann in ihren Fingern und Zehen und setzte sogar in den Lippen ein. Damals war sie überrascht gewesen, wie glatt das Zusammentreffen ihres neuen Liebhabers, ihres Freunds, ihres Ehemanns und ihres Bruders verlaufen war. Nun kannte sie den Grund dafür.
Einzeln waren Dylan und Oberon gefährlich gewesen, aber gemeinsam hatten sie eine tödliche Waffe abgegeben. Und auch Emmett war kein Schwächling gewesen. Es war eine große Leistung, alle drei besiegt zu haben. Oberons Temperament war legendär.
»Was ist damals passiert?«, wollte sie wissen.
»Raven ist durch mich, Dylan und Emmett hindurchgegangen, als wären wir aus Butter, und das, bevor wir all unsere Tiersinne zusammen hatten.« Oberon starrte in sein Glas.
»Das ist euch recht geschehen«, sagte sie und stellte die Flasche ab.
»Dylan war beeindruckt. Er hat gesagt, wenn du das bei uns dreien kannst, dann dürfte es dir auch nicht schwerfallen, Kitt zu beschützen.« Oberon hob den Blick und wirkte traurig. »Er hat dich respektiert, Mann.«
In gewisser Weise konnte sie ihn verstehen. Es war dieses Gefühl kontrollierbarer Gefahr, das Raven so attraktiv für sie gemacht hatte. Sie füllte die Gläser nach, undalle hoben sie. Diesmal tranken sie schweigend auf die abwesenden Freunde.
Oberon zog die Mundwinkel hoch. »Tyrones Männer wissen also, dass du hier bist?«
»Natürlich nicht.« Raven schnaubte verächtlich. »Es sind Idioten.«
»Er hat das Kopfgeld wieder erhöht.« Oberon streckte sein Glas vor, damit Kitt es wieder füllte. »Jetzt steht es bei einer Million und siebenhunderttausend Dollar.«
Kitt erstarrte und sah Raven fassungslos an. Offenbar hatte er es bereits gewusst.
Oberon kippte den Rest seines Drinks hinunter. »Soweit ich weiß, glaubt Tyrone, dass Emmetts Killer die letzten Morde begangen hat.«
Das glaubte Kitt ebenfalls. Obwohl Emmetts Tötung noch brutaler und bizarrer gewesen war, gab es doch große Ähnlichkeiten.
»Und da sie etwa zur Zeit deiner Rückkehr angefangen haben und sich um die Institution herum konzentrieren, in der seine Enkelinnen studieren …« Oberon ließ den Satz eine Weile in der Schwebe, bevor er fortfuhr: »Er erhält Unterstützung von vielen anderen verängstigten Bestiabeo-Familien. Vor allem von der eines
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