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Aetherhertz

Aetherhertz

Titel: Aetherhertz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Bagus
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Die Damen hatten ihre Finger in Muffs oder in den Händen der Begleitung. Die Gaslaternen zischten und manchmal flog eine bunt erleuchtete Luftkutsche surrend über sie hinweg.
    Sie sprachen nur wenig und am Ende der Allee bestiegen die beiden Paare unterschiedliche Kutschen. Friedrich brachte Johanna nach Hause und Paul Annabelle.
    „ Glaubst du, sie werden es tun?“, fragte Annabelle.
    „ Ich weiß es nicht. Es kommt mir jetzt ungeheuerlich vor, dass wir überhaupt gefragt haben“, entgegnete Paul nachdenklich.
    Annabelle kuschelte sich an ihn. Sie wollte ihn näher spüren und zog ihren linken Handschuh aus. Sie strich ihm damit eine Strähne aus der Stirn und streichelte dann seine Wange, die um diese Uhrzeit schon einen deutlichen Bartschatten hatte. Die Berührung fühlte sich an wie der herrliche Moment, wenn man sich in seinen Lieblingssessel kuschelte, eine Decke über sich zog und ein gutes Buch auf Entdeckung wartete.
    „ Paul?“
    „ Hmmm?“
    „ Ich liebe dich.“ Sie hatte es noch nie gesagt. Nach dem Gespräch mit ihrem Onkel war ihr das klar geworden.
    Er sah sie an: “Das hoffe ich doch.“
    „ Mach dich nicht lustig über mich!“
    „ Käme mir nie in den Sinn.“
    Sie studierte sein Gesicht: „Wenn ich deine Frau bin, wird sich dann was ändern?“
    „ Warum sollte es? Außer dein Nachname, natürlich.“ Er sagte das ganz leicht, aber Annabelle wusste, dass er sie nur beruhigen wollte.
    „ Na, dann kannst du über mich bestimmen, und über all die Sachen, die das Erbe meines Vaters betreffen.“
    Paul schloss die Augen. Er nahm Annabelles Hand und öffnete die Augen wieder. „Glaubst du, das ist der Grund, warum ich dich heiraten will?“
    Annabelle schüttelte den Kopf, konnte aber nichts sagen.
    Eine steile Falte bildete sich an seiner Nasenwurzel: „Ich finde es ganz furchtbar, dass wir keine Chance hatten, uns normal kennenzulernen. Es ist alles so schnell gegangen. Ich würde gerne die Zeit zurückdrehen, und dir mehr Zeit geben, uns mehr Zeit geben. Wir kennen uns gar nicht richtig und haben schon so viel erlebt. Wie kannst du mir denn vertrauen?“ Das war eine lange Rede für ihn.
    Annabelles Augen füllten sich mit Tränen. Sie glitzerten im Licht der Gaslaternen, an denen die Kutsche vorbei fuhr. Paul küsste sie sacht.
    „ Siehst du“, flüsterte er, „jetzt bringe ich dich überflüssigerweise zum Weinen. Ich weiß aber nicht, wie ich das ändern soll, die Dinge sind geschehen, wir können die Zeit nicht zurückdrehen.“
    „ Ach Paul“, seufzte Annabelle. „Du verstehst nicht ... wenn ich Dinge mit meiner Hand berühre, dann erfahre ich so viel über sie. Und wenn ich dich berühre, dann ist das wie ... Heimat. Was soll ich mehr kennenlernen? Ich vertraue dir rückhaltlos. Alles andere wird sich ergeben.“
    „ Warum fragst du mich dann, ob ich über dich bestimmen werde?“
    Sie seufzte: „Weil es so von dir erwartet wird.“
    Er streichelte ihre Wange: „Ich könnte genauso wenig über dich bestimmen, wie ich dem Mond bestimmen kann, wann er voll wird. Oder dem Wind, wohin er weht. Du bist über mich gekommen, wie eine Naturgewalt, und an so einer kann auch die Gesellschaft nichts ändern. Und überhaupt – was scherst du dich darum?“
    „ Mir tut Johanna so leid.“ Nun weinte sie doch noch. Er gab ihr ein Taschentuch. „Johanna ist stark. Und sie hat Friedrich.“
    „ Meint er es ernst?“, sagte sie schniefend.
    „ Er ist zwar ein Filou, aber er hat ein gewaltiges Ehrgefühl. Aber ob die beiden zusammenbleiben, sollen sie selbst entscheiden. Mach dir nicht anderer Leute Sorgen.“
    „ Aber wegen mir ist sie in einer schlechten Lage.“
    „ Das hat sie selbst so entschieden. Das solltest du respektieren.“
    Annabelle hörte auf zu weinen und verstand. Ja, Paul hatte recht: Anstatt Johanna als Opfer der Umstände zu betrachten, sollte sie sie dafür bewundern, dass sie eine solche Entscheidung getroffen hatte.
    „ Du bist weise“, flüsterte sie und küsste ihn auf die kratzige Wange.
    „ Und du bist unwiderstehlich. Ich wünschte, wir wären noch im Schwarzwald.“ Das wünschte sie auch. Sich voll bekleidet in einer kalten Kutsche zu küssen, war sehr unbefriedigend ...
     
    * * *
     
    Sie hatten herausgefunden, dass die Familie Medwedew ihre Abreise verschoben hatte und immer noch im Hotel Brenner zu Gast war. Paul empfand es als seine Pflicht, den Vater darüber aufzuklären, dass sein Kind lebte.
    „ Aber warum?“, hatte Burger

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