Aethermagie
die Arme. »Finden Sie heraus, was mit meiner Mutter geschehen ist«, befahl sie. »Ich muss unbedingt mit ihr sprechen. Halten Sie mich des Weiteren auch auf dem Laufenden, was das Kriegsministerium mit Ihrer Abteilung vorhat.« Sie runzelte die Stirn. »Wie verständigen wir uns? Es wäre zu auffällig, wenn Sie hierherkommen, obwohl meine Mutter offiziell nicht hier weilt.«
»Gibt es eine Vertrauensperson, die unsere Botschaften überbringen könnte? Gräfin Goldenstern zum Beispiel?«, fragte Katya.
Die Prinzessin dachte nach, zögerte, schüttelte den Kopf. »Ich vertraue niemandem hier. Nicht mehr.«
»Felsenstein?«
Marie-Louise sah sie verständnislos an. »Wer?«
»Gregor Felsenstein. Zweiter Sekretär. Er hat mich Ihnen avisiert.«
»Ah, der ulkige kleine Mann in dem Samtrock?« Marie-Louises Augen blitzten. »Er ist mir zuvor nie aufgefallen.«
»Er vermag sich trefflich zu verstecken«, sagte Katya lächelnd. »Aber Ihre Mutter vertraut ihm. Und ich auch.« Gregor Felsenstein war ihr Verbindungsmann während der Zeit gewesen, als sie den russischen Zaren bespitzelte. Eine ungemein heikle Mission, während der der kleine Schreiber sich als ein fähiger und erstaunlich skrupelloser Agent erwiesen hatte. Katalin hatte damals sehr überstürzt aus Sankt Petersburg abreisen müssen, und Gregor Felsenstein hatte ihr dabei den Rücken gedeckt. Sie war sich auch heute noch nicht ganz sicher, ob der eine oder andere zaristische Geheimpolizist dabei ein verfrühtes und für ihn unerwartetes Ende gefunden hatte.
»Dann soll er unsere Botschaften überbringen.« Die Prinzessin griff nach dem Schreibzeug, das auf einem Tischchen nebenan bereitlag. »Ich werde ihn zu mir bitten, um einen Brief zu diktieren.«
»Gut – dann werde ich mich an meine Nachforschungen begeben. Ich berichte Ihnen, sobald ich etwas gefunden habe.« Katya wartete das Nicken der Prinzessin ab und erhob sich. Sie zögerte. »Darf ich Eurer Kaiserlichen Hoheit einen Rat geben?«
Die Prinzessin sah auf. Sie war so jung, dachte Katalin. Kaum ein halbes Jahr älter als ihre eigene Tochter. Aber wie erwachsen sie gleichzeitig wirkte und wie entschlossen, das Rätsel um das Verschwinden der Kaiserin zu lösen.
»Bitte?«
»Seien Sie vorsichtig. Anscheinend sind Kräfte am Werk, die Seine Kaiserliche Hoheit zu isolieren suchen.«
Marie-Louises Augenlider zuckten kurz wie unter einem winzigen Schlag. »Das habe ich mir auch schon gedacht«, gab sie ruhig zurück. »Ich wäre wohl die Nächste auf der Liste. Es ist nur gut, dass mein Vater keinen allzu engen Umgang mit mir pflegt.«
Das kam ohne jedes Bedauern, ohne Klage über ihre Lippen. Eine nüchterne Feststellung.
Die Prinzessin senkte den Blick auf das Schreiben, das den Sekretär Felsenstein zu ihr befehlen sollte. Sie warf einige Zeilen auf das Papier, faltete, adressierte und versiegelte es und reichte es Katya. »Wenn Sie so freundlich wären, das für mich im Sekretariat abzugeben.«
Katalin nahm den Brief in Empfang und verließ das Gemach. Sie durchmaß mit langen Schritten die breiten Flure und lief, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf, die in den Verwaltungstrakt der Hofburg führte. Ihr Besuch hier hatte keine Lösung für ihr eigenes Problem gebracht, sondern nur neue Schwierigkeiten aufgeworfen. Jetzt musste sie sich nicht nur um ihr eigenes Überleben kümmern, die Frage lösen, wie sie Jewgenij und Katharina aus dem Brünnlfeld befreien konnte und den Maulwurf im Hohen Rat enttarnen, sondern auch noch die Kaiserin ausfindig machen, die entweder aus eigenem Antrieb oder – wahrscheinlicher – auf Betreiben ihres Gemahls ins Nirgendwo verschwunden war.
Sie klopfte an die Tür zum Vorzimmer des Sekretariats und reichte das Schreiben dem blasiert dreinblickenden jungen Mann, der ihr öffnete, mit der Bitte, es unverzüglich an Gregor Felsenstein weiterzuleiten. Der Hofbeamte blickte auf das Siegel, wurde eine Nuance blasser und deutlich beflissener, dienerte knapp und rannte durch eine der drei Türen, die vom Vorzimmer abgingen.
Katya lächelte unwillkürlich, wandte sich um und prallte unsanft mit einem schnurrbärtigen Gardisten der Schweizerwache zusammen. Der Mann brummte »Hoppala«, griff nach ihrem Arm und hielt sie fest. Katya bedankte sich und erwartete, dass er sie losließ, aber der Gardist verfestigte seinen Griff und wies zur Tür. »Wenn Sie mir folgen würden«, sagte er.
Katya blieb wie angewurzelt stehen. »Wohin und zu welchem
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