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Aethermagie

Titel: Aethermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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eine schuldbewusst klingende Stimme. »Wir wussten doch nicht, dass Sie es sind, Major.«
    Katya blickte auf. In der Tür standen die Brüder Milvus, Schulter an Schulter, und sahen sie an. Der Schwarze Milan bückte sich und stocherte in den Überresten des mechanischen Wesens. »Der ist hin.«
    Der Rote Milan kam auf Katya zu. »Wie sind Sie hereingekommen?«, fragte er drängend. »Haben Sie den Professor gesehen? Ist er bei Ihnen?«
    Katya schüttelte den Kopf. »Ich bin eingebrochen«, erklärte sie mit einem verlegenen Hüsteln. »Stört den Professor nicht, bitte. Ich spreche morgen mit ihm. Wenn ich nur hier übernachten dürfte …« Sie stockte, denn der Gesichtsausdruck, mit dem die Zwillinge sie ansahen, war alarmierend. »Was ist geschehen?«, fragte sie.
    Der Rote Milan hob in einer verzweifelt wirkenden Geste die Schultern. Der Schwarze verzog die Lippen. »Er ist verschwunden«, sagte er. »Seit einer Woche.«
    Katya ließ sich in den nächstgelegenen Sessel sinken. »Wer ist verschwunden? Horatius?« Das war undenkbar, unmöglich – es war so, als behauptete jemand, der Mond sei aus seiner Umlaufbahn verschwunden.
    Die beiden jungen Männer, sich so ähnlich und gleichzeitig so unterschiedlich, nickten im Chor. »Er ist seit Dienstag früh verschwunden. Wir haben noch eine Tasse Tee zusammen getrunken, dann wollte er etwas nachschlagen und uns im Labor treffen …«
    »… wir arbeiten gerade an einem miniaturisierten Ortungssystem«, fiel der Schwarze seinem Bruder ins Wort, und der Rote fuhr fort, als wäre er nie unterbrochen worden: »… aber er ist nicht gekommen. Wir haben gedacht, er hätte sich in seine Bücher vertieft und uns vergessen, das passiert ihm manchmal …«
    »… und haben ihn gesucht. Den ganzen Tag. Er war fort.«
    »Und er ist nicht wieder aufgetaucht, bis heute.«
    Sie schwiegen und sahen Katya an. Die legte den Kopf in die Hände. »Verflucht«, sagte sie aus tiefstem Herzen. »Dienstag?« Das müsste der Tag nach ihrer Inhaftierung gewesen sein. Ob das Verschwinden von Horatius Tiez damit zusammenhing? Sie rieb sich rau über die Augen und das Gesicht. »Ich bin zu müde, um noch einen klaren Gedanken fassen zu können«, sagte sie. »Wenn er seit einer Woche vermisst wird, kommt es jetzt auf ein paar Stunden nicht an, oder? Ich muss unbedingt schlafen.«
    Die beiden Milans nickten und begannen gleichzeitig zu sprechen. Dann setzte sich der Rote durch und sagte: »Sie können eins der Gästezimmer haben, Major. Dort steht immer ein frisch bezogenes Bett bereit.«
    Katya gähnte. »Das klingt verlockend.«
    Der Rote Milan führte sie schweigend durch den verwirrenden Korridor zu einem kleinen behaglich eingerichteten Schlafzimmer. »Morgen besprechen wir, was wir unternehmen«, sagte Katya und klopfte ihm kurz und aufmunternd auf die Schulter.
    »Ich hole Sie ab«, erwiderte der junge Mann ernst. »Seit der Professor fort ist, wird die Schleife instabil. Man braucht ein wenig Übung, um sich zurechtzufinden.« Er nickte ihr zu und schloss die Tür hinter sich.
    Katya wachte auf, als wäre ein Weckruf ertönt, und wusste sofort, wo sie sich befand. Sie wusch sich und zog mit einem Gefühl tiefer Befriedigung die frischen Kleider an. Es waren ihre eigenen Sachen, so wie der Revolver der ihre war und nun wieder mit seinem vertrauten Gewicht im Holster unter ihrer Achsel ruhte. Sie berührte das abgeschabte, feste Leder mit den Fingerspitzen. Ein befreundeter Polizist aus der britischen Überseekolonie Virginia hatte es ihr geschenkt, weil sie sich immer über das sperrige Gürtelhalfter beklagt hatte, das sich so schlecht über einem Rock samt Unterrock tragen ließ.
    Katya öffnete die Tür und blieb auf der Schwelle stehen. Der Korridor schien vor ihren Augen zu schwanken wie ein Schiffsdeck. Sie hielt sich am Türrahmen fest und schloss die Augen. Zwei Gläser Wein waren kein ausreichender Grund für Gleichgewichtsstörungen. Sie blinzelte, öffnete dann die Augen. Der Flur präsentierte sich ganz so, wie es sich gehörte, gesittet und bewegungslos.
    Katya ließ den Türrahmen los und betrat den Korridor, der im gleichen Augenblick unter ihren Füßen zu springen und zu bocken begann wie ein Fohlen. Sie keuchte und ging in die Knie. Vor ihrem fassungslosen Blick schlug das vor ihr liegende Stück des Ganges Volten, legte sich in einen augenverwirrenden Knoten und vollführte darüber hinaus peitschende Bewegungen von rechts nach links und von oben nach unten. Katya wurde

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