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Aethermagie

Titel: Aethermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Fahrzeugen, Geschäften und Geschäftigkeiten mir zu entgleiten beginnt, durchscheinend wird, verblasst. Dies ist eine hermetisch abgeschlossene Gesellschaft, die nach ganz eigenen Regeln funktioniert. Alles in diesem Kosmos dreht sich um das zentrale Gestirn, das hier nicht »Sonne«, sondern »Professor Charcot« heißt – der Anstaltsdirektor, der kleine, freundliche Gott mit dem weißen Spitzbart.
    Seine Untergötter, die Ärzte, und alle kleineren Trabanten, die ihn umkreisen, seine Wärter, stehen hoch über den Kreaturen, um derentwillen dieses kleine Universum doch im tiefsten und eigentlichsten Sinne geschaffen wurde: uns Insassen.
    Heute bin ich an meinem Bestimmungsort im Herzen der Anstalt angekommen: Die geheimnisvolle, obskure Abteilung D, in der laut den Gerüchten, die der Vierten Abteilung zugetragen wurden, monströse Experimente an Menschen vollzogen werden. Auf den ersten Blick ist dieser Ort aber nur ein ganz gewöhnliches Krankenhaus. Bisher bin ich weder über Spuren blutiger Operationen gestolpert noch stören die Schreie der gequälten Irren die Ruhe, die über dieser Abteilung liegt. Wenn ich unvoreingenommen und unvorbereitet hier als Besucher die Korridore beschritte, würde ich glauben, vollkommen allein zu sein, so still ist es. Fast schon beängstigend still …
    Morgen wird meine erste Behandlung stattfinden. Ich weiß nicht, was sie mit mir vor…
    Riegel schnappten, die Tür sprang auf. Jewgenij gelang es, das Tagebuch unter die dünne Bettdecke zu stopfen und mit einer hastigen Bewegung den Spind wieder an die Wand zu befördern, bevor zwei bullige Wärter seine Arme packten und ihn aus der Zelle zerrten. Er protestierte, wehrte sich gegen die rüde Behandlung, gab aber seinen Widerstand sehr schnell auf, als der erste Fausthieb ihm die Luft aus den Lungen trieb. Weitere Schläge trafen seinen Magen, seine Seite. Er sackte in die Knie, einen Moment lang verwirrt und orientierungslos, und fühlte, wie eine Jacke aus dickem Segeltuch über seine Arme und seinen Oberkörper gezogen und mit Riemen festgeschnallt wurde. Seine Arme in den überlangen Ärmeln wurden durch das fesselnde Kleidungsstück unbequem verkreuzt fixiert, auch seine Atmung wurde behindert. Er kniete auf dem Boden und rang nach Luft.
    »Immer noch renitent, 329?«
    Jewgenij hob mühsam den Kopf und sah den Sprecher an. Hader. Der Wärter grinste auf ihn herunter. »Überraschung«, sagte er. »Du bekommst eine Sonderbehandlung – und zwar jetzt.« Er drehte sich um, die Wärter zerrten Jewgenij auf die Beine und hinter ihm her.
    Die Stille der dunklen Gänge war beängstigend. All diese Türen – war überhaupt außer ihm jemand in dieser Abteilung? Jewgenij rief laut: »Hallo? Hilfe!«, aber statt einer Antwort gab es nur einen Schlag gegen den Kopf, der seine Ohren klingeln ließ.
    »Schreien nützt dir nichts«, sagte Hader über seine Schulter. »Die sind alle mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, 329.«
    »So ein großer Kerl und schreit um Hilfe wie ein Milchbart«, sagte der Wärter, der ihn geschlagen hatte, und lachte.
    Jewgenij biss die Zähne zusammen. Türen klappten auf und schlugen zu. Ein kleiner düsterer Gang. An seinem Ende ein schwarzes Loch, das nirgendwohin zu führen schien. Darin bewegte sich etwas, langsam, stetig. Jewgenij kniff die Augen zusammen. Was war das? Ein Kasten? Ein offener Schrank?
    Die Wärter zogen ihn zu der Öffnung in der Wand. Eine Stufe senkte sich langsam vor seinen Augen von oben herab, glitt nach unten und enthüllte dabei eine enge Kabine. Als die Stufe das Niveau des Bodens erreicht hatte und dabei stetig weiter sank, wurde Jewgenij in die Kabine geschoben. Einer der Wärter sprang hinterher. Sie sanken in dem schrankgroßen Raum unter den Fußboden und standen in lichtloser Dunkelheit. Über ihnen polterte es, Jewgenij hörte die Stimmen des zweiten Wärters und Haders, die sich entfernten. Es war dunkel, eng und stickig, dazu kam die einschnürende Fesselung der Jacke, die er trug – Jewgenij brach der Schweiß aus, gleichzeitig war ihm eisig kalt und seine Knie begannen zu zittern.
    »He, klapp mir nicht zusammen«, brummte der Wärter und festigte den Griff um Jewgenijs Schultern. »Wir sind gleich da.«
    Abwärts. Immer weiter abwärts durch die Dunkelheit. Die Panik kroch durch seine Glieder wie ein lebendiges Wesen, das ihn von innen auffraß. Jewgenij begann zu keuchen, dann zu hecheln. Sein Gesichtsfeld verengte sich zu einem Tunnel, zu einem

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