Aethermagie
in den Glaskolben. Der Querstab leuchtete auf, dann bildete sich die unstete Gestalt des kleinen Plasmateufels.
»Calander«, sagte Kato drängend, ehe der Kleine zu Wort kam, »du musst mir etwas verraten. Bist du … bist du gerne in dieser Lampe?«
Der Plasmateufel sprühte einen Funkenschauer gegen die Wand seines Gefängnisses. »Man hat mich nicht gefragt«, sagte er. »Es ist sehr langweilig. Du liest mir ja auch nie was vor.«
Kato leckte sich über die plötzlich trockenen Lippen. »Wo bist du, wenn das Licht aus … also, wenn ich den Æther abdrehe?«
Das Elementarwesen sah sie verständnislos an. »Ich weiß nicht, was du meinst«, gab es zurück. »Liest du mir jetzt vor, Kato?«
Sie schüttelte ungeduldig den Kopf. »Gleich, Calander. Sag, der Silberkäfig – was wäre, wenn ich den fortnähme?«
Calander erschreckte sie damit, dass er auf seiner Stange emporhüpfte und so grell aufleuchtete, dass sie die Augen schließen musste. Sie hörte ihn schrill rufen: »Das würdest du tun? Das würdest du wirklich für mich tun? Kato?«
»Pst«, machte sie und blinzelte die Nachbilder weg. »Schrei doch bitte nicht so laut. Wenn uns jemand hört …«
Der Feuerteufel lachte und klatschte funkenstiebend und aufgeregt in die Hände. Kato seufzte unwillkürlich. Dann legte sie mit einer raschen Bewegung, die keinem bewussten Entschluss entstammte, die Hände um den Silberkäfig und öffnete ihn. Das durfte nur geschehen, wenn die Lampe nicht mit Æther gefüllt war, um sie zu reinigen. Man hatte ihr dies schon als Kind so streng eingeschärft, dass sie den Atem anhielt und etwas Schreckliches erwartete.
Nichts geschah. Calander beugte sich vor und klopfte gegen das Glas. Das Teufelchen lächelte breit. »Ah«, sagte es. »Das ist so schön. Ich kann dich jetzt viel besser sehen. Und es tut auch nicht mehr weh, hier – und hier.« Es drückte die Hände zuerst gegen seine Brust und dann an seine Schläfen.
»Könntest du …« Kato schluckte und setzte noch einmal an: »Könntest du die Lampe jetzt verlassen?«
Calander legte den Kopf schief. »Verlassen«, wiederholte er. Und mit einer tastenden Bewegung, die Katos Blick verschwimmen ließ, schien er hinauszugreifen, aber nicht ins Zimmer, sondern in eine völlig andere Richtung, der zu folgen Katos Augen oder ihr Gehirn sich weigerten.
Das Feuerwesen stieß einen spitzen, jubelnden Schrei aus, rief: »Frei!« – und verschwand von einem Wimpernschlag zum nächsten. Es wurde schlagartig dunkel im Zimmer.
Kato erschrak. Sie beugte sich vor und rief leise Calanders Namen. Bat ihn, zurückzukehren.
Sie atmete voller Erleichterung auf, als sich die glühende Gestalt erneut in der Mitte des Glaskolbens zu formen begann. Das Elementarwesen verfestigte sich, ruckte auf dem Querstab herum und sah sich um. »Nett«, sagte es. »Viel hübscher als bei Meister Tiez.« Es grinste Kato zu und verbeugte sich.
Sie blinzelte verdutzt. »Fondafor?«
»Derselbe.« Der Plasmateufel lehnte sich zurück, als säße er in einem Lehnsessel, und schlug die Beine übereinander. »Du wolltest etwas schreiben? Lass dich nicht stören. Ich sitz hier ganz gemütlich und leuchte dir.« Fondafor spitzte die Lippen und pfiff leise und melodisch.
Kato starrte ihn verblüfft an, dann lachte sie und beugte sich über ihr Tagebuch.
Wien, im Juni des Jahres 1885
, schrieb sie säuberlich oben auf die leere Seite.
Liebes Tagebuch, ich bin sehr verwirrt und weiß gar nicht mehr, was ich denken soll und was ich dir davon anvertrauen darf. Heute habe ich zum ersten Mal erkannt, dass mein Vater vor Angst verrückt wird. Ich fürchte mich vor dem, was noch geschehen wird. Bringe ich am Ende ihn und mich durch das in Gefahr, was ich hier nur für mich aufschreibe?
Kato nagte an ihrem Federhalter. Noch nie war es ihr in den Sinn gekommen, dass ein anderer ihr geheimes, ganz persönliches Tagebuch lesen könnte. Es war nahezu undenkbar, aber nicht vollkommen unmöglich. Sie legte die Feder auf den Tisch und rieb sich seufzend die Augen. »Darf ich dich fortschicken?«, fragte sie.
»Wie es dir beliebt«, erwiderte das Plasmateufelchen. Es winkte ihr zu und verschwand, als Katos Finger den Hebel umlegten.
Sie blieb noch eine Stunde oder länger still am Fenster sitzen, sah in den Himmel, über den der Mond seine langsame Bahn zog, verfolgte den Flug der Fledermäuse und das stete, sachte Wiegen der Baumwipfel. Spät in der Nacht, als sich im Haus schon alle zur Ruhe begeben hatten,
Weitere Kostenlose Bücher