Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
übertönte das äußere Chaos, das seine Sinne zwar wahrnahmen, aber nicht mehr weitergaben. Immer klarer wurden seine Strukturen und er wiederholte sie wieder und wieder, bis er sicher war, dass es weiterfloss, dass seine inneren Vibrationen nach außen getragen wurden, dass es eine Resonanz gab. So wie die Kreise, die entstehen, wenn ein Stein ins Wasser geworfen wird, sich irgendwann brechen und wieder zurückschwingen, so überlappten sich seine Musik und die, die er von dem mechanischen Mann zurück bekam. Und mit jeder Wiederholung hörte er eine Stimme mehr, spürte er eine mächtigere Kraft um sich herum.
Paul fühlte ganz schwach, dass sich etwas an seinen Händen verändert hatte. Sie schienen zu brennen mit einem kalten Feuer, welches wie ein schwacher pulsierender Strom bis in seine Arme hoch loderte. Das war die Verbindung zu dem mechanischen Mann, und sie wurde mit jeder Wiederholung des Themas stärker und heißer.
Dann lauschte er nur noch: Er hörte sie brausen, seine Musik und er fühlte sich lebendig, stark und bereit. Er öffnete die Augen und sah, das sich aus den Æthernebeln schwarze Schemen erhoben, spitze Schnäbel, rasiermesserscharfe Klauen, elegante Körper flatterten auf, grünschwarze Blitze, die sich pfeilschnell den gewaltigen Bulldoggen der Sängerin entgegenwarfen. Sie sahen aus wie Fetzen rabenschwarzer Nacht in Vogelgestalt, hetzende Schatten, die Zerstörung hinterließen.
* * *
Annabelle fiel und tauchte ins eiskalte Wasser ein. Sie war unfähig, den Fall zu steuern und drehte sich wirbelnd mit der Strömung. Aber sie hatte keine Angst, der Æther pulsierte zu stark in ihr. Sie wob Fäden um sich herum, griff mit ihren Fingern nach dem Æther im Wasser und zog sich daran nach oben. Sie hatte die Oberfläche fast erreicht, als sie etwas an ihrem Bein spürte, das sie wieder nach unten zog. Fast hätte sie vor Schreck Wasser eingeatmet, aber sie beherrschte sich und trat nach dem Widerstand.
Dann spürte sie aber auch einen Zug am Arm, an der Hand, an den Beinen, am Rücken, es schien, als ob tausend Finger nach ihr griffen, sie kniffen, festhielten, tasteten und an ihr zerrten. Sie öffnete ihre Augen und sah in ein Gesicht. Es war ganz schmal und lang, mit wirbelnden grünen Haaren darum herum, schräg stehende silbrige Augen und einer platten Nase. Es war nicht hässlich, nur sehr fremdartig. Mehrere dieser Wesen schwammen um sie herum, und eines von ihnen öffnete seinen Mund, um mehrere Reihen nadelspitzer Zähne zu zeigen.
Sie spürte Feindseligkeit und versuchte eines der Wesen mit ihrer linken Hand zu greifen. Sie krallte sich an schuppiger Haut fest und fühlte sich sofort erleichtert. Der Druck des Wassers, der in ihren Ohren gedröhnt hatte, war verschwunden und sie spürte ihren Körper auf wundersame neue Weise. Hatte sie an Land nur Kontakt mit den Füssen zum Boden, war hier der ganze Körper ein richtungsgebender Muskel, sensibel jede Schwingung im Wasser erspürend, jede Welle, die kleinste Strömung.
Sie spürte aber auch, dass diese Wesen auf eine ihr gefährliche Art neugierig waren. Sie waren jung und wollten experimentieren, vielleicht auch nur spielen, aber sie verstanden nicht, was sie vor sich hatten, kannten die Gier nach Luft nicht, die für ihre Art beißend und schädlich war. Sie wollten Annabelle mitnehmen in ihr Zuhause, behalten, wie man vielleicht eine Kaulquappe fängt und solange in einer kleinen Pfütze in der Hand zappeln sieht, bin sie leider damit aufhört und man sie bedauernd ins Wasser zurück wirft, neugierig, ob sie sich wieder erholen wird.
Annabelle erinnerte sich daran, dass sie aber atmen musste, und dass das momentane Gefühl der Ungefährlichkeit des Wassers nur aus dem Kontakt mit dem Wesen herrührte. Der Æther in ihrem Körper machte sie mitleidlos, und sie musste sich nicht überwinden, dem Geschöpf wehzutun. Mit einem merkwürdigen Schrei, der aber nicht von den Stimmlippen eines Kehlkopfes gebildet wurde, stieß das Wesen sich von ihr ab und verschwand im trüben Wasser.
Annabelle tastete nach den anderen, und als sie frei war, schwamm sie so schnell wie möglich zur Oberfläche. Mit einem tiefen Atemzug sog sie die kalte Luft ein. Sie ließ sich einen Moment treiben, das Gefühl, ein Teil dieses reißenden Stroms zu sein, war elektrisierend. Ganz anders als das gemütliche Gleiten im körperwarmen Wasser von Valentins Schwimmbad war das hier ungezähmt und voller schäumender Versprechungen. Sie lauschte mit
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