Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
wie die Büchse der Pandora, einmal geöffnet, nie wieder rückgängig zu machen? Konnte man als Wissenschaftler es überhaupt verantworten, sie zu zerstören? Etwas so Wundersames, Komplexes …
Sie kamen an eine Tür und der Professor öffnete sie. Paul drängte sich vor ihn und rannte in die Halle, sah sich um und hörte Stimmen aus dem Speisezimmer.
Er rannte los, drängte sich durch die Menge und tatsächlich, da war Annabelle! Sie hatte sich auf einem Diwan zusammengerollt. Verblüfft betrachtete er sie: Sie hatte die Augen geschlossen. Sein Bauch verkrampfte sich und er musste tief einatmen, aber sie sah gesund aus: Sie schlief! Nass, schmutzig und erschöpft, aber heil.
Er kniete sie neben sie und berührte ihr Gesicht. Ihre Augen flatterten und öffneten sich. Er sah in ihre wunderschönen grünen Augen und konnte nicht anders, als zu lächeln.
„Hier bist du”, sagte er, und seine Stimme brach ein wenig. „Ich habe dich lange gesucht.” Er hob sie hoch und zog sie an sich. Endlich konnte er sie wieder spüren, festhalten. Er fühlte sich zum ersten Mal seit Tagen wieder vollständig.
„Ich dachte, der Otter sucht den Lachs, und nicht umgekehrt?”, murmelte sie.
„Wenn der Otter nicht zum Lachs kommt, dann muss halt der Lachs zum Otter kommen. Ach, Annabelle, was ist geschehen?” Er streichelte ihr Haar.
„Ich weiß nicht. Vielleicht habe ich ein Talent für Schwierigkeiten … Paul, Valentin ...” Sie verkrampfte sich.
„Schsch … er ist vielleicht tot.”
„Ich habe ihn nicht getötet! Obwohl ich es wollte, das kannst du mir glauben.” Es tat so gut, sie einfach festzuhalten, aber Paul wollte auch mit ihr allein sein und so weit weg wie möglich von diesem Haus und seinen Bewohnern.
„Er ist nicht tot”, sagte der Professor.
Annabelle zuckte zusammen und hielt sich an Paul fest. Sie betrachtete den mechanischen Mann mit weit aufgerissenen Augen.
„Hänsel! Was ist geschehen? Sie sehen aus wie mein Vater! Aber das war nicht so, Sie haben ganz anders ausgesehen, da unten, in dem Theater.”
„Ich erkläre dir alles später”, sagte Paul. „Annabelle, ich muss dir etwas sagen: Friedrich ist schwer verletzt.”
Während sie Paul zu dem Zimmer begleitete, in welches man seinen Bruder gebracht hatte, schossen Annabelle tausend Gedanken durch den Kopf: Paul war da, er lebte, das bedeutete Jubel und Erleichterung, das war eine Zukunft, das war die Aussicht auf Glück. Unendlich viele unausgesprochene Worte verstopften ihre Kehle: Wie sollte sie Paul erklären, was sie getan hatte, wie sie Valentin verletzt hatte (die gleiche Hand, die nun seine Hand hielt, hatte Valentins Gesicht zerstört!)? Wie konnte sie erzählen, was davor geschehen war, um zu erklären, wie beschmutzt und missbraucht sie sich fühlte. Würde Paul das alles auch so sehen, würde er ihre Beweggründe verstehen? Würde er sie noch lieben?
Dieser Gedankengang war gefährlich. Genauso gefährlich schien es aber, über den erneuten Versuch einer Heilung nachzudenken, denn das war es, was anstand, wenn Friedrich wirklich schlimm verletzt war. Das bedeutete doch, sich wieder dem Æther hinzugeben, und die Resultate waren bisher immer die gleichen. Es kam nichts Gutes dabei heraus, und sie war eigentlich überzeugt, es nicht zu tun, bis sie Friedrich dort liegen sah.
Er war so bleich, und sein Arm war – nun, er war nicht mehr da. Er war nur noch ein Stumpf, auf halber Höhe zum Ellenbogen abgerissen und zurück blieb nur ein blutiges Gewirr aus Leder und Metall. Oh Gott, was sollte sie tun? Es schien unmöglich, so etwas zu heilen, sie hatte jetzt schon Angst vor der ersten Berührung, vor dem Schmerz, den Friedrich fühlen musste, und den sie unweigerlich teilen würde. Aber als er die Augen öffnete und sie ansah, wusste sie, dass sie irgendwie die Kraft finden musste. Seine blauen Augen, die sonst so kraftvoll leuchteten, waren trüb und flackerten. Sein Blick flehte sie an, es gab keine Wahl. In ihrem Inneren platzte etwas: eine goldene Blase. Sie hatte kurz den Geschmack von frischem Wasser im Mund und fühlte sich gereinigt. Ja, da war Kraft, ganz viel davon, und Annabelle wollte sie nutzen!
* * *
Als die Kreatur ihn ansprang und er diesen unglaublichen Schmerz fühlte, der auf die grüne Explosion folgte, da wollte Friedrich noch nicht wahrhaben, was geschehen war. Aber als er jetzt aufwachte und diesen Schmerz immer noch spürte, bohrend, reißend, sägend, zerstörend, und alles andere
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