Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
Kampfes zu stehen.
Er hörte ein stetig lauter werdendes Dröhnen: Die Luftschiffe kamen immer näher. Paul betete, dass die Besatzungen wussten, dass er sich hier oben befand. Endlich hatte er es geschafft und stand vor Annabelle, die immer noch die Augen geschlossen hatte, die Hände der Männer festhielt und nicht losließ. Sie war so bleich! Die silbernen Ranken umfingen ihre Handgelenke und wuchsen stetig nach oben.
Paul umfing ihr Gesicht, rieb es mit seinen Händen und suchte nach Leben, nach einer Reaktion. Er flüsterte ihren Namen, dann schrie er ihn, seine Lippen erkundeten ihre kalte Haut, bis er ihren Mund fand. Er küsste sie mit seiner ganzen Leidenschaft, mit seiner Liebe und seiner Angst, sie zu verlieren. Endlich erschlaffte sie in seinen Armen, die silbernen Ranken zerbröselten, sie ließ die Männer los, knickte in den Knien ein und er fing sie auf.
Der Professor trat einen Schritt zurück, die beiden Männer fest an der Hand haltend, und öffnete die Augen. Sie waren silbern und grün, seine Gesichtszüge wechselten, wie Fotos die man schnell übereinanderlegt, mal war er Rudolf Bader, jung und alt, mal Valentin, als Kind, als Mann. Seine Arme zogen die silbernen Fäden zu sich, bis sie verschwunden waren, dann ließ er die Männer fallen. Sie waren tot, Valentins Gesicht war wieder zerstört, eine Augenhöhle leer, das andere Auge blickte gebrochen in den Himmel.
„Ihr müsst fliehen”, schrie der Professor Paul zu und zeigte auf die Luftschiffe. Unter dem Schiff, welches ihnen am nächsten war, pendelte ein kleines Boot an Seilen. Paul erkannte eine der Figuren, die darin saßen: sein Bruder Friedrich! Mehrere Taue und eine Strickleiter flatterten im Wind.
Paul sah den mechanischen Mann an. Der wechselte immer noch das Gesicht, blitzschnell veränderte es sich auf entsetzliche Art.
„Ich muss mich zerstören”, sagte der Automat mehrstimmig. „Sonst wird es nie enden.” Er bewegte sich sehr eckig, schwankte und schien innerlich gegen etwas zu kämpfen.
Paul nickte, drehte sich weg und hob Annabelle hoch.
„Die Männer dort unten sollen sich zurückziehen!”, schrie der Professor gegen das Dröhnen der Propeller an, die das Luftschiff immer näher an sie heran manövrierte. Plötzlich streckte der mechanische Mann einen Arm aus, er wuchs und wuchs und stieß gegen das gläserne Dach der Konstruktion. Splitternd brach es und ein kalter Wind blies die Scherben ins Wasser. Er griff das Beiboot und zog es langsam an sich heran, indem er sich mit der anderen Hand an der Reling des Schiffes festhielt. Eine Treppe wuchs vor ihm in die Höhe, gebildet aus den Krähen und Teilen der Brückenkonstruktion, die sich einfach demontierten und zu ihrem neuen Platz bewegten.
Die Propeller wurden ganz leise und Paul hörte den Æther unter den Flügeln brausen. Er bestieg mit Annabelle auf dem Arm die Treppe und wartete, bis das kleine Boot nahe genug war. Friedrich griff nach Annabelle und Paul wurde von Hartwig ins Boot gezogen. Dann ließ der Professor los und die Propeller dröhnten wieder auf, als das Luftschiff Fahrt aufnahm.
„Wir müssen hier weg!”, schrie Paul Friedrich an. „Ich glaube, der Professor wird alles in die Luft jagen.” Er sah zu dem Automaten, der zuckend auf der Plattform stand, wie in einem schrecklichen Veitstanz gefangen.
Friedrich gab ein paar Befehle weiter und das Boot wurde langsam nach oben an Bord gezogen. Paul beobachtete, wie die Soldaten auf der Brache sich langsam zurückzogen, als die Monster sich umdrehten und in Richtung des Schiffes donnerten. Die Maschinen stürzten sich ins Wasser und gingen sofort unter. Paul beugte sich zu Annabelle, die gerade die Augen öffnete.
„Habe ich alles verpasst?”, fragte sie leise.
„Du wirst immer ohnmächtig, wenn es spannend wird”, lächelte er erleichtert.
„Was ist passiert?”
„Sieh selbst.” Er half ihr auf und sie stützten sich auf die Reling. Die Sonne ging unter, die schwarzen Wolken über den Werken glühten rot vom Feuerschein. Einen Moment lang sah man noch das Schiff, mitten im Rhein verankert, dann erblühte eine grellgelbgrüne Explosion, als der erste Tank explodierte. In kurzer Folge brannten sich mehrere Explosionen in ihre Netzhaut, bevor der Schall sie erreichte. Wasser verdunstete und riesige æthergesättigte Dampfwolken bauten fantastische Luftschlösser.
Für einen Moment schwamm es noch, dann legte es sich zur Seite, das Wasser des Flusses schwappte darüber und begrub es
Weitere Kostenlose Bücher