Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
zu hell. Rudolf Bader hatte einen Schritt vorwärts gemacht, und zeigte auf einen Tisch. Dort lagen eine Ledermappe und eine Schachtel. Ein fremder Mann stand in formellem Anzug neben dem Tisch und wurde als: „Johannes Lehmann, Notar”, vorgestellt.
„Setzt euch bitte”, sagte Rudolf Bader zu den Frauen. „Du auch, Valentin.”
Als alle saßen, öffnete Bader die Ledermappe und zeigte Annabelle ein Schriftstück. „Liebe Annabelle”, begann er dann feierlich. „Du bist für mich wie eine Tochter, ich kenne dich seit deiner Geburt und du lagst mir schon immer sehr am Herzen. Es erschüttert mich, dass du nach dem Tod deines Vaters so lange im Ungewissen warst, wie es weiter gehen sollte. Ich wünschte, ich hätte früher von deiner Situation erfahren, dann wäre einiges anders gekommen. Nun ist es, wie es ist, und du bist heute zum Glück hier. Ich danke Gott für diese Fügung.” Er holte tief Luft und betrachtete sie aus glänzenden Augen. Er schien wirklich gerührt.
„Du hast mir ein unfassbar großes Geschenk gemacht”, fuhr er fort, ”und ich möchte dir danken, in dem ich dir einen Anteil an meinen Werken schenke. Wenn du hier unterschreibst, dann gehören dir ab sofort dreißig Prozent der Bader-Werke. Du sollst nie wieder in Angst leben, was der Morgen dir bringt, und was auch immer du damit tust, du kannst für den Rest deines Lebens versorgt sein. Du sollst es auch nicht nötig haben, schnell zu heiraten oder etwas zu verkaufen, was dir teuer ist. Für mich wäre es eine Ehre zu wissen, dass dein Leben dadurch mit dem unseren eng verflochten sein wird.
Das ist mein Geschenk, und es wiegt nicht auf, was du mir bedeutest.”
Annabelle war sprachlos. Die Ungeheuerlichkeit dieses Geschenks drang nur langsam in ihr Bewusstsein. Es war nicht nur das Geld, der Wert, sondern auch die Geste – und die Bedeutung, die es für Rudolf Bader und Valentin hatte. Der war noch bleicher als sonst geworden und sah seinen Vater aus kohlschwarzen weit aufgerissenen Augen an.
„Das kann ich nicht annehmen”, sagte sie vorsichtig.
„Sei nicht bescheiden”, lachte Rudolf Bader, der begonnen hatte, eine Sektflasche zu öffnen.
Annabelle sah Valentin noch einmal an und las in seinen Augen, aber sie konnte nicht entscheiden, ob es Enttäuschung, Trauer, Wut oder gar Hass war, was sie entdeckte. Johanna hatte eine Hand vor den Mund gelegt und suchte mit der anderen nach einem Taschentuch in ihrem Beutel. Rudolf Bader schenkte vier Gläser voll und sie nahm ihres zögernd.
„Auf Annabelle Rosenherz. Die neue Miteignerin der Bader-Werke. Prost.” Es schien undenkbar, das jetzt zu unterbrechen. Annabelle trank und ihre Gedanken rasten. Vielleicht sollte sie jetzt unterschreiben und später alles rückgängig machen, wenn sich die Gemüter beruhigt hatten? Sie könnte mit Valentin reden, bevor sie abreiste, und ihm alles erklären. Sie versuchte, ihm das mit ihren Augen mitzuteilen, aber er sah sie nicht an. Wie sie es auch drehte und wendete, während sie von Bader wieder geküsst und gedrückt wurde, sie fand keinen Ausweg.
Also unterschrieb sie unter den wachsamen Augen des Notars. Während der Mann das Dokument an sich nahm und einige Vermerke darauf machte, jubelte Rudolf Bader und streckte ihr die Schachtel hin.
„Da ich weiß, dass Frauen mehr Gefallen an etwas Glitzerndem als an Papier finden, habe ich dir noch etwas besorgen lassen. Man hat mir versichert, das wäre die neueste Mode und das Beste, was man in Baden-Baden finden könnte.”
Sie öffnete die schmale Schachtel, schlug das Seidenpapier beiseite und schlug die Hand vor den Mund. Vor ihr lag ein wundervolles Schmuckstück: Es war eine Kette, die sich in hellblauen Blättern um den Hals legte. An der Kehle umrahmten sie drei weiße Perlen, unter denen ein diamantgeschmückter Stern saß. Blaue Fuchsienblüten, deren Stempel winzige Saphire darstellten, ergossen sich unter dem Stern in den Ausschnitt.
„Das ist von René Lalique”, hauchte sie.
„Ja, irgend so ein Franzose”, sagte Rudolf Bader stolz. „Alle Frauen wollen seinen Schmuck, habe ich mir sagen lassen.”
Annabelle begriff, dass ihm die Kette völlig zweitrangig war: Er war blind für die vollendete Schönheit der Kreation. Seine riesigen Hände griffen den Verschluss und legten ihr die Kette um. Sie stand auf und suchte einen Spiegel, fand aber in diesem Raum keinen.
„Kannst du mich zu einem Spiegel bringen, Valentin?”, fragte sie und er stand langsam auf. Bader
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