Affären? Nein Danke!
sie extra gute Noten, je größer ihre Unabhängigkeit war. Offensichtlich nahm sie an, sie müsse alles allein schaffen, um nicht andernfalls zu scheitern. Wenn Gage ab und zu darauf hinwies, dass das ein Trugschluss war, wurde sie grantig.
Im Büro trug sie konservative Kleidung. Röcke, die das Knie bedeckten, taillierte Blazer, hochgeschlossene Blusen, flache Absätze. Nichts jedenfalls, was männliche Blicke auf sich ziehen konnte.
Heute Abend war das anders. In ihren schwarzen Stilettopumps mit Riemchen, den Netzstrümpfen und dem kurzen, figurbetonten Seidenkleid sah sie schärfer aus als Demi Moore. Gage mochte diese weibliche, sinnliche Seite an ihr und sehnte sich danach, mehr davon zu sehen.
Normalerweise trug Janet ihr schwarzes Haar aufgesteckt. Heute jedoch hatte sie es so frisiert, dass es ihr in weichen Wellen auf die Schultern fiel. Ihre sonst ungeschminkten Lippen leuchteten rot.
Gage wusste schon in dem Moment, als er den Mund auf Janets Lippen presste, dass er zu weit gegangen war. Janet war keine Frau, die sich mal kurz auf ein Abenteuer einließ.
Darüber hinaus beging er noch einen weiteren Fehler. Er war wieder einmal dabei, einer Schönheit in Nöten aus der Patsche zu helfen. Abgesehen davon, dass Dr. Janet Hunter zwar eine Schönheit, jedoch keineswegs hilflos war und ihn keinesfalls als Retter brauchte.
Er musste verrückt geworden sein. Seine Hormone waren schuld.
Janet war weit davon entfernt, seinen Kuss zu erwidern. Ihre Lippen blieben hart und geschlossen. Ihre Augen dagegen waren weit geöffnet und blitzten vor Wut.
Na schön, dachte er. Dann ist es eben kein romantischer Kuss mit Herzklopfen und Feuerwerk. Doch das lag seiner Meinung nach einfach daran, dass Janet sich so hartnäckig gegen ihn wehrte. Denn dass es zwischen ihnen knisterte, war unleugbar.
Janet saß stocksteif da, so verblüfft war sie von Gages Kuss. Was war in diesen Typ gefahren? Sie hatte nicht vor, auf seinen Annäherungsversuch auch nur im Geringsten einzugehen. Kollegen küsste man nicht. Hatte sie ihm nicht deutlich genug klargemacht, dass sie Abstand wollte?
Sie presste beide Hände gegen seinen Oberkörper und schob ihn weg, obwohl die Verführung groß war, sich dem Kuss einfach hinzugeben.
Gage stieß sich den Kopf an der Tischplatte. “Au.”
“Lassen Sie mich sofort in Ruhe”, flüsterte sie und zerrte am Saum ihres Kleides, der ziemlich weit hoch gerutscht war.
“Hören Sie”, begann Gage, “es tut mir leid. Ich wollte das nicht. Keine Ahnung, was in mich gefahren ist. Bitte akzeptieren Sie meine Entschuldigung.”
Das Letzte, was er wollte, war, bei Janet den Eindruck zu erwecken, er nutze es aus, wenn Frauen sich in einer misslichen Lage befanden. Noch nie in seinem Leben hatte er so etwas wie vorhin getan. Er fragte sich, was an Janet ihn so antörnte, dass er sich vergaß.
“Wenn es Ihnen wirklich leidtut, dann verschwinden Sie.”
“Bin schon weg.” Er wandte sich zur Seite und wollte unter dem Tisch hervorkriechen, als sein Po in Kontakt mit etwas Spitzem geriet.
“Au!”, schrie er und vergaß völlig, dass sie sich ja in einem Versteck befanden.
“Pst!”, machte Janet entsetzt.
Gage fasste hinter sich und befreite sich von dem piekenden Objekt. Es war eine Brosche. Saint Jude, der Schutzheilige für hoffnungslose Fälle. “Scheint Ihnen zu gehören”, sagte er und gab ihr die Anstecknadel.
In diesem Augenblick wurde das Tischtuch zurückgeschlagen. Gage und Janet fanden sich Auge in Auge mit Dr. Peter Jackson sowie mindestens einem halben Dutzend anderer Leute, die vor dem Tisch standen.
“Dr. Gregory!”, rief Peter. “Dr. Hunter! Was geht hier vor?”
Gage schaute unschuldig lächelnd zu seinem Chef und log dreist. “Hallo, Peter. Janet hat mir nur geholfen, nach einer Kontaktlinse zu suchen.”
Als Janet am nächsten Montagmorgen in die Praxis kam, war sie entschlossen, Gage zur Rede zu stellen. Doch als sie ihr Büro betrat, spielte er gerade Guckguck mit einem niedlichen, etwa sieben Monate alten Baby, das auf seinem Schoß saß. Er hielt seinen Arztkittel vors Gesicht, zog ihn rasch wieder weg und rief: “Guckguck!”
Das Baby quietschte vor Vergnügen.
Janet wurde es ganz warm ums Herz.
Unwillkürlich fragte sie sich, wie es wohl wäre, ein so süßes Baby zu haben und dazu einen Mann, der so begeistert Guckguck spielte wie dieser hier.
Sie schob diese Gedanken weit von sich. Denn sie wollte ja überhaupt keinen Ehemann. Und auch kein Baby.
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