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Affären

Affären

Titel: Affären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsay Gordon
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Original. Schwarze Wolle, raffiniert geschneidert. Der Rock umschmiegte die Hüften, und das Jackett saß auf der Taille und war breit in den Schultern, wie der Stil es vorschrieb. Darunter trug sie eine weiße Seidenbluse, und ihre Nylonstrümpfe waren mit einer Naht versehen. Die Tasche aus Schlangenhaut vollendete die Mode aus vergangener Zeit. Sie hatte ein enges Tuch in ihr Haar gebunden, und ihr Make-up hatte sie den Vierzigern angepasst; tiefroter Lippenstift, gepudertes Gesicht, schwarzer Augenstift. Als sie den letzten Strich gezogen hatte, blies sie dem Spiegelbild einen Kuss zu, dann ging sie. Sie fühlte sich gut.
    »Ich bin ein glücklicher Mann«, sagte Sam, als er vorbeiging und die Autoschlüssel klimpern ließ. »Wir müssen los, wenn du diesen Zug noch erwischen willst. Obwohl - wenn du ihn verpasst, wäre es auch kein Härtefall.«
    Lily wusste, dass er nichts lieber getan hätte, als ihr das Kostüm vom Leib zu reißen, ihre Bluse aufzuknöpfen und den BH aus Satin zu öffnen. Vielleicht kam es ja dazu noch. Aber später. Am Ende dieses Tages. Jetzt musste sie gehen. Sie hatte eine ganz bestimmte Verabredung.
    Der Zug verlangsamte die Fahrt, als er sich Waterloo näherte. Lily fühlte sich ein bisschen nervös. Würde er da sein? Sie schaute auf ihre Uhr. Viertel vor acht. Sie hatte genug Zeit. Es wäre ihr lieber, wenn er vor ihr da wäre und auf sie wartete. Sie trat vorsichtig aus ihrem Abteil; der enge Rock und die Höhe ihrer Absätze schränkten ihre Bewegungsmöglichkeiten ein. Sie musste seitlich gehen, als sie auf den Bahnsteig trat. Es war schon gut, dass kein Dampf sich über Frisur und Kostüm legte. Die Annehmlichkeiten des einundzwanzigsten Jahrhunderts nahm man wie selbstverständlich hin.
    Ihr wurde bewusst, dass sie ihre Kleidung nach Stil und Eleganz ausgewählt hatte, nicht nach Bequemlichkeit. Ihr war auch klar - nicht zum ersten Mal -, dass Kleider eine wunderbare Verkleidung sein konnten. Oberflächlich betrachtet, sah ihr Kostüm charmant und anheimelnd aus, vielleicht auch ein bisschen altmodisch.
    Aber dem geübten Auge würde nicht entgehen, dass auch unanständige Absichten nicht ausgeschlossen waren. Sie war gezwungen, mit einem Hüftschwung zu gehen, der ein wenig übertrieben war, und deshalb überraschte es sie auch nicht, dass der Mann, der ihr gegenüber gesessen hatte, jetzt mit einem leisen Pfeifton an ihr vorbeiging. Kleider konnten soviel mehr über die Person erzählen als der nackte Körper, dachte Lily. Deshalb liebte sie es, mit ihnen zu arbeiten. Als Gewandmeisterin an einem Londoner Theater konnte sie mit ihrem Aussehen experimentieren. Sie konnte sein, wer sie sein wollte.
    Sie ging in Richtung Coffee Shop. Er war da. Lange dunkle Haare, die er sich hinter die Ohren gesteckt hatte. Lässig gekleidet. Jeans, Jacke, T-Shirt. Rote Rose im Knopfloch. Kitschig, aber süß. Er war ein hübscher Kerl, obwohl sie nicht annahm, dass er das selbst von sich dachte. Oder auch nur darüber nachgedacht hatte. Es schien die meisten Männer nicht zu kümmern, ob sie gut oder nicht gut aussahen. Sie liebte die Ebenen seines Gesichts, seinen schlanken Körperbau und die Lässigkeit, mit der er seine Kleider trug.
    Er griff immer wieder nach seinem Becher Kaffee und nahm einen kleinen Schluck. Er war nervös, dachte sie. Er konnte nicht sicher sein, dass sie auch wirklich kam. Die Zeitschrift lag auf dem kleinen runden Tisch. Sie wartete ein paar Momente lang und betrachtete ihn von hinten, bevor sie zu ihm ging.
    »Darf ich?« Sie wies auf den Nachbarstuhl. Er sah zu ihr auf; seine Augen weiteten sich, dann nickte er. Was konnte er auch sonst tun? Sie wusste, dass er nicht wirklich frech werden würde. Oder unhöflich. Oder würde er ihr sagen, dass er auf jemanden wartete, auf eine Frau, die fast so aussah wie sie, und würde es ihr etwas ausmachen, wenn sie sich einen anderen Platz suchte?
    »Kann ich Ihnen was bringen?«
    »Espresso, bitte.«
    Er kam bald mit einer winzigen Tasse der dunklen Flüssigkeit zurück. Sie hielt sein Magazin in den Händen und blätterte durch die Rubrik der ›Einsamen Herzen‹. Er errötete, als er sich wieder hinsetzte.
    »Sie sind nicht sie«, stammelte er, aber er schien sich nicht sicher zu sein. Das überraschte sie nicht. Wie hätte er ihren Aufzug erwarten können? Darauf war er nicht vorbereitet.
    »Nein«, antwortete sie.
    »Aber Sie sind ihr sehr ähnlich.«
    Sie nickte zustimmend. Sie setzten sich zurück und warteten

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