Affinity Bridge
wieder da, falls Sie mich brauchen.«
Veronica lächelte. »Selbstverständlich. Vielen Dank, Miss
Coulthard.« Sie deutete auf den groÃen Stapel auf ihrem Schreibtisch.
»Vorläufig habe ich hier sowieso noch zu tun.«
Miss Coulthard seufzte wissend und ging hinaus, ihre Absätze
klickten laut auf den Fliesen. Veronica wandte sich ohne Begeisterung wieder
ihrer Lektüre zu.
Ein paar Minuten später hörte sie, wie im benachbarten Büro die Tür
geöffnet und wieder geschlossen wurde, dann näherten sich Schritte. Sie las
weiter und konzentrierte sich auf den makellos mit der Hand geschriebenen
Text. »Das ging ja viel schneller, als ich dachte, Miss Coulthard. Könnten Sie
jetzt vielleicht einen Kessel aufsetzen und â¦Â« Sie hob den Kopf, als ein Mann
sich räusperte, und lieà den Satz unvollendet. »Sir Maurice! Ich ⦠wir haben
gar nicht so bald mit Ihnen gerechnet!«
Newbury lächelte. »Meine liebe Miss Hobbes, kein Gentleman kann
lange in seinen Räumen herumsitzen und die Wände anstarren, ohne die Geduld zu
verlieren.« Er nahm den Hut ab und deutete auf seinen Schreibtisch. »AuÃerdem
muss ja irgendjemand diesen Aufsatz verfassen.« Mit blitzenden Augen strahlte
er sie an.
Veronica lächelte. »Nun erzählen Sie schon, wie geht es Ihnen? Haben
Sie sich gut erholt?«
»Ich bin noch ein wenig steif. Die Wunden verheilen recht gut, aber
die gereizte Haut juckt höllisch. Ich denke, ich werde bald wieder ganz der
Alte sein. Vorausgesetzt natürlich, ich muss in der nächsten Zeit nicht wieder
auf fahrenden Omnibahnen herumkrabbeln.«
Veronica lachte. »Nun setzen Sie sich schon, und ich gieÃe Ihnen
eine schöne Tasse Earl Grey auf. Miss Coulthard müsste bald wieder da sein, sie
ist ins Archiv gelaufen, um einige Dokumente einzusortieren.« Sie stand auf und
streckte sich, nachdem sie so lange auf dem unbequemen Schreibtischstuhl
gehockt hatte.
»In der Tat, ich bin ihr auf dem Flur begegnet. Es freut mich sehr,
dass ihr Bruder wohlbehalten zurückgekehrt ist, und wie ich höre, hatten Sie
sogar einen entscheidenden Anteil daran.«
Veronica kam hinter dem Schreibtisch hervor und zuckte mit den
Achseln. »Ja, so könnte man es vielleicht ausdrücken. Ich bin an einer Stelle
auf ihn gestoÃen, wo ich beim besten Willen nicht mit ihm gerechnet hätte. Da
ich eine von Miss Coulthards Fotografien gesehen hatte, konnte ich ihn richtig
einordnen. Seine Erinnerung ist noch nicht völlig zurückgekehrt, aber ansonsten
soll er in guter Verfassung sein. Es hat sich auch herausgestellt, dass Miss
Coulthard von Anfang an recht hatte, denn er wurde tatsächlich in Brixton von
einem Wiedergänger angegriffen, konnte aber irgendwie entkommen. Anscheinend
haben Sie einiges gemeinsam, denn Sie haben nicht nur beide eine Weile in
Indien gelebt, sondern sind auch Wiedergängern begegnet und haben es überlebt.
Jack ist ebenfalls immun gegen die Seuche. Miss Coulthard meint, die Ãrzte
dächten sogar darüber nach, aus seinem Blut einen Impfstoff zu gewinnen.«
Newbury nickte lächelnd. »Bemerkenswert. Das freut mich sehr für
Miss Coulthard.« Er hielt inne und strich sich mit der flachen Hand über das
Gesicht. »Aber nun sagen Sie mal, wie geht es eigentlich Amelia? Macht sie
sich gut?«
Veronica schaffte es nicht, das Lächeln beizubehalten. »Leider geht
es ihr überhaupt nicht gut. Jedes Mal, wenn ich sie besuche, ist sie etwas
schwächer geworden. Ich weià nicht, was ich sonst noch für sie tun kann.
Anscheinend raubt es ihr die ganze Lebenskraft, sich an diesem Ort aufhalten zu
müssen.«
Newbury trat näher an sie heran und legte ihr zärtlich eine Hand auf
den Arm. »Wir müssen sehen, ob wir ihr helfen können. Ich will mich gleich um
diese Angelegenheit kümmern.«
Veronicas Atem beschleunigte sich. Mit laut pochendem Herzen trat
auch sie ein Stückchen näher an Newbury heran. Ihre Lippen waren trocken. »Es
ist schön, dass Sie wieder da sind, Sir Maurice.«
»Ich â¦Â«
Die Tür schwang auf, und Miss Coulthard stürmte geschäftig herein.
Veronica wich eilig von Newbury zurück und strich mit rotem Gesicht ihr Kleid
glatt.
Miss Coulthard hatte nichts bemerkt. »Schön, dass Sie wieder da
sind, Sir Maurice«, sagte sie lächelnd. Dann warf sie der Assistentin einen
kurzen Blick zu
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